IEN D-A-CH: JUMO hat fast 70 Jahre Erfahrung in der Messtechnik- und Sensorik-Welt. Wie hat sich die Firma in dieser Zeit entwickelt? Wie wichtig sind einzelne Bereiche/Branchen für die Entwicklung?
Die JUMO GmbH & Co. KG zeichnet sich seit ihrer Gründung im Jahr 1948 durch ein konstantes Wachstum aus. Das betrifft zuerst einmal unser Produktportfolio, das permanent durch neue Messgrößen für immer mehr Branchen ergänzt wurde. So startete mein Großvater – der Firmengründer Moritz Kurt Juchheim – mit sechs Mitarbeitern die Produktion von Glaskontaktthermometern und JUMO erlangte durch die hohe Qualität und Zuverlässigkeit der Produkte sehr schnell einen ausgezeichneten Ruf. Im Laufe der Jahre sind dann Zeigerthermometer und Heizungsthermostate dazugekommen, bevor in den 60er Jahren mit der Herstellung von Mess- und Regelgeräten auf elektronischer Basis begonnen wurde.
In der 80er Jahren wurden dann die Bereiche Druckmesstechnik und Analysenmesstechnik aufgebaut. Die 90er Jahre wurden vor allen Dingen durch die weltweit sehr erfolgreichen JUMO-Regler und Bildschirmschreiber geprägt. Im ersten Jahrzehnt des neuen Jahrtausends haben wir uns verstärkt auf drahtlose Messtechnik konzentriert und darüber hinaus ein eigenes Automatisierungssystem entwickelt. Mit diesen innovativen Produkten haben wir uns auch immer neue Märkte erschlossen. JUMO-Produkte kommen rund um den Globus beispielsweise in den Branchen „Heizung und Klima“, „Lebensmittel und Getränke“, „Erneuerbare Energien“ oder „Wasser und Abwasser“ zum Einsatz. Unser Schwerpunkt ist aber nach wie vor die Temperaturmessung. Hier sind wir bereits seit Jahrzehnten Weltmarkführer mit Temperaturfühlern für Wärmemengenzähler. Die neusten Trends gehen ganz klar in Richtung digitaler, intelligenter Sensoren. Darüber hinaus ist es unser erklärtes Ziel, von einem reinen Komponentenhersteller zu einem System- und Lösungsanbieter zu werden.Parallel zu dieser Produkt- und Branchenentwicklung sind wir auch international stark gewachsen. Bereits Anfang der 70er Jahre wurden erste JUMO-Tochtergesellschaften gegründet. Heute zählen zur Unternehmensgruppe
fünf Niederlassungen in Deutschland, 24 Tochtergesellschaften im Ausland sowie mehr als 50 Vertretungen weltweit.
IEN D-A-CH: Welche Länder sind für Sie die wichtigsten Märkte? Wo liegen die Unterschiede und Eigenheiten?
Unser umsatzstärkster europäischer Markt ist Frankreich, weltweit mit großem Abstand aber mittlerweile China. Die europäischen Märkte unterscheiden sich dabei vor allen Dingen durch die jeweiligen Branchenschwerpunkte. So sind wir in den skandinavischen Ländern sehr stark in der Schiffbau-Industrie vertreten, während zum Beispiel in den Niederlanden der Bereich „Wasser und Abwasser“ in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewinnt. Im Umgang mit Kunden sind aber letztendlich immer die „klassischen“ JUMO-Stärken entscheidend – egal in welchem Land. Wir können immer wieder durch hohe Flexibilität und Schnelligkeit, High-Tech-Produkte und ein stark lösungsorientiertes Denken überzeugen.
IEN D-A-CH: JUMO hat kürzlich eine weiterentwickelte Serie Halbleiterschütze vorgestellt, die für die Verwendung in kleinen Schaltschränken entworfen wurden. Welche Funktionen wurden überarbeitet und wie können Anwender davon profitieren?
Mit digiLine präsentierte JUMO ein neues, busfähiges Anschlusssystem für digitale Sensoren, das die Tür zur Industrie weit aufstößt. Mit digiLine können unterschiedlichste Sensoren in Stern- oder Baumstruktur miteinander verbunden werden. Lediglich eine einzige digitale Signalleitung geht dann noch zu einer Auswerteeinheit oder Steuerung. Dies erlaubt eine effizientere und schnellere Verkabelung von Anlagen, in denen mehrere Parameter gleichzeitig an verschiedensten Stellen gemessen werden müssen. Das eröffnet völlig neue Möglichkeiten für industrielle Anwendungen in der Prozess-, Lebensmittel-, Pharma- und Wasserindustrie.
Die Besonderheit: JUMO digiLine pH- und Redoxsensoren werden als Einheit bestehend aus Sensor mit wiederverwendbarer Elektronik geliefert. Erst bei endgültigem Verschleiß der pH- oder Redox-Komponente wird die Verbindung getrennt und die Elektronik kann mit einem neuen Sensor weiter genutzt werden. Das ist ökologisch und ökonomisch sinnvoll. Völlig neu ist auch die zum System gehörende DSM-Software (Digital Sensor Management). Die notwendige Parametrierung und die Kalibrierung der Elektroden können bequem im Labor durchgeführt werden. Kalibrierdaten und die Bewertung des Sensorzustandes sind direkt im Sensor gespeichert und ermöglichen eine lückenlose Dokumentation über den gesamten Lebenszyklus.
IEN D-A-CH: JUMO beteiligt sich aktiv an Messen in ganz Deutschland. Wie relevant sind diese Ausstellungen für Ihr Unternehmen?
JUMO nimmt weltweit jährlich an etwa 70 Messen und Ausstellungen in über 20 Ländern teil, rund 15 davon in Deutschland. Allein diese Zahl verdeutlicht schon den hohen Stellenwert, den Messen für unser Unternehmen haben. Denn auch in Zeiten des Internet ist der persönliche Kundenkontakt nach wie vor durch nichts zu ersetzen. Und da wir mit unterschiedlichsten Produkten in einer Vielzahl von Branchen „zuhause“ sind, können wir auf Messen immer wieder Kunden positiv überraschen, die JUMO nur mit dem Thema Temperaturmessung in Verbindung bringen.
IEN D-A-CH: Wir erleben eine Revolution im industriellen Umfeld. Welche Änderungen sehen Sie zukünftig in der Welt der Sensoren und Messumformer?
Mess- und Regeltechnik wird und muss im Zuge der Industrie 4.0 immer intelligenter werden. So werden Sensoren ihren eigenen Zustand überwachen und melden, wenn sie ausgetauscht werden müssen. Darüber hinaus werden sie über ihren ganzen Lebenszyklus hinweg umfassende Daten sammeln, mit denen bessere und anwendungsspezifischere Produkte entwickelt werden können. Im Zuge dieser Entwicklung wird auch die Automatisierungstechnik immer weitere Aufgaben übernehmen. Viele Prozesse werden durch Internet- und Cloudlösungen ortsunabhängig von virtuellen Teams gesteuert werden.
IEN D-A-CH: Herr Juchheim, vielen Dank für das Gespräch.