Auf der Erfolgsspur zur Cloud

Noch gibt es große Zurückhaltung in der Fertigungsindustrie

  • Murat Ekinci, Executive Vice President Operations Freudenberg IT
    Murat Ekinci, Executive Vice President Operations Freudenberg IT
  • Aktuelle Grafik zur Akzeptanz von Cloud-Diensten in der Fertigungsindustrie
    Aktuelle Grafik zur Akzeptanz von Cloud-Diensten in der Fertigungsindustrie

Cloud Computing bietet Anwenderunternehmen hohe Potenziale, um ihre Effizienz zu steigern und gleichzeitig Kosten zu senken. Besonders der Mittelstand kann von der Skalierbarkeit von ITServices aus der Cloud profitieren - denn Kapital muss so nicht für möglicherweise nur in saisonalen Spitzen benötigte Kapazitäten gebunden werden. Doch auch das sich rasant ändernde Tagesgeschäft, insbesondere in der industriellen Fertigung, ist ohne den Einsatz flexibler und skalierbarer Speicher- und Rechenkapazitäten kaum mehr zu stemmen - Stichwort Industrie 4.0.

 

Dennoch steckt die Wolken-IT bei Unternehmen dieser Branche noch in den Kinderschuhen. Zu diesem Ergebnis kommt der ITInnovation Readiness Index (IRI), den Freudenberg IT in Zusammenarbeit mit dem Marktforschungsunternehmen Pierre Audoin Consultants zum Ende des vergangenen Jahres bereits zum zweiten Mal in Folge aufgelegt hat. Die zentralen Fragen lauten also: Welche Barrieren gilt es zu überwinden, um Cloud Computing auch in der mittelständischen Fertigung auf die Erfolgsspur zu bringen? Was sollten Unternehmen bei der Auswahl beachten und auf welche Weise profitieren sie von der Cloud?

40 Prozent der mittelständischen Fertigungsunternehmen lehnen Cloud Computing ab. Und bei den Befürwortern dieser Technologie ließ sich ein lediglich moderates Wachstum bei der Nutzung um zwei Punkte von 18 auf 20 Prozent verzeichnen. Besonders hohe Skepsis zeigt die Branche der Maschinen- und Anlagenbauer: Dort lehnen 80 Prozent der Befragten Cloud Computing ab. Der wichtigste Grund für dieses Misstrauen liegt in Sicherheitsbedenken. Dies erklärt auch, warum von den drei Modellen - Private, Hybrid und Public Cloud - der erstgenannten Variante der Vorzug gegeben wird. Daten, die in der Public Cloud lagern, können von den Unternehmen nicht mehr kontrolliert werden und auch ein komplettes Zurücknehmen der Daten erscheint schwierig.

Die Cloud als Wegbereiter für Industrie 4.0
Unternehmen, die auf die Cloud setzen, beziehen verschiedenste Dienste auf diesem Weg. Dazu gehören Speicher-, Backup- oder Serverkapazitäten, aber auch Software. Besonders der strategische Einsatz von SaaS (Software as a Service) für Anwendungen in den Bereichen Customer Relationship Management (CRM), Human Resources (HR) oder Product Lifecycle Management (PLM) nahm mit drei Prozentpunkten leicht zu. Die Nutzung von SaaS als strategische Softwareplattform erfreut sich steigender Beliebtheit und hat sich von 6 auf 14 Prozent mehr als verdoppelt - den Cloud-Strategien großer Software-Anbieter sei Dank. In krassem Gegensatz zu den eher trüben Aussichten in Punkto Cloud steht die Haltung der Branche gegenüber Industrie 4.0: Mehr als zwei Drittel setzen bereits auf die selbststeuernde Produktion oder planen eine solche Lösung für ihre Werkshallen. Diese Zahl belegt nachdrücklich, dass ein Großteil der Branche den wichtigen Zusammenhang zwischen Cloud-Services und Industrie 4.0 schlichtweg übersieht: Denn die autarke selbststeuernde Fertigung, in der Mitarbeiter, Maschinen, Produkte und Betriebsmittel in laufendem Kontakt zueinander stehen müssen, erzeugt eine schier unermessliche Menge an Status- und Bewegungsdaten. Eine solche Datenflut lässt sich nicht bewältigen, ohne auf Cloud-Lösungen zurückzugreifen.

Wettbewerbsvorteil Cloud
Dabei kann Cloud Computing noch mehr. Die zentralen Herausforderungen des produzierenden Gewerbes sind Flexibilität, Geschwindigkeit und Automatisierung. Die Auslagerung von Anwendungen an spezialisierte Dienstleister trägt durch Skaleneffekte zu einer höheren Effizienz und geringeren Kosten bei. Indem die interne IT-Abteilung von zahlreichen Aufgaben der Bereitstellung von IT-Services entlastet wird, werden diese Ressourcen für eine strategische Aufwertung der unternehmenseigenen IT-Landschaft freigesetzt. Individuelle Anforderungen lassen sich durch externe Entwickler, die mit neuen Technologien bereits vertraut sind, leichter und schneller umsetzen.
In Summe führen diese Vorteile zu einer Verkürzung von Innovationszyklen und Markteinführungszeiten, zwei der wichtigsten Voraussetzungen für die internationale Wettbewerbsfähigkeit. Auch für die Internationalisierung eines Unternehmens sind Cloud-Applikationen hilfreich, denn über verteilte Rechenzentren sind sie schnell auf andere Länder und Kontinente erweiterbar.

Sicherheit - ein schwieriges Terrain
Der größte Hemmschuh auf dem Weg in die Wolke bleibt jedoch das Thema Sicherheit. Unternehmen, die sich konkret mit Cloud-Projekten befassen, sind daher gut beraten, die konkreten Schutzmaßnahmen in den Cloud-Rechenzentren des Providers grundlegend zu prüfen. So sollte dieser die eingesetzten Anti-Malware-, Firewall- und Paketfilter-Mechanismen im Detail darlegen.
Unverzichtbar sind mehrstufige Konzepte wie eine Firewall für die mandantenfähige Gesamtinfrastruktur und zusätzliche Firewalls für jede Kundeninstanz.
Datensicherheit erstreckt sich zudem auf die Themen Backup und Recovery. Je nach Anwendung sind flexible Service-Levels mit unterschiedlichen Wiederherstellungszeiten bereitzustellen. Für die detaillierte Ausarbeitung von Service Level Agreements (SLAs) muss der Kunde gemeinsam mit dem Dienstleister jeden IT-gestützten Kommunikations-, Geschäfts- und Fertigungsprozess im Hinblick auf die erforderliche Verfügbarkeit und Performance bewerten. Die Implementierung von Cloud-Lösungen ist damit für Unternehmen eine passende Gelegenheit, nicht nur die ITVersorgung selbst, sondern auch die zugrunde liegenden Prozesse zu optimieren. Denn das A und O für eine gelungene Migration in die Cloud ist ein tiefgreifendes Prozessverständnis des Cloud-Anbieters für die jeweilige Branche. Referenzen von Kundenprojekten oder Zertifikate wie von SAP dienen hierbei als hilfreiche Wegweiser. Nur so kann der Provider im Hinblick auf Prozess- und Systemberatung echten Mehrwert stiften.
Um die künftige Wettbewerbsfähigkeit eines mittelständischen Fertigungsunternehmens sicherzustellen, führt kein Weg an der Cloud vorbei. Sowohl für die Optimierung bestehender Prozesse, die Skalierbarkeit von Leistungen sowie die Erfüllung immer individuellerer Kundenwünsche und als Grundlage für den Aufbruch in das Industrie 4.0-Zeitalter sind die Möglichkeiten von Cloud Computing für die Transformation von Geschäfts- und Fertigungsprozessen unverzichtbar. Um das mangelnde Vertrauen in Bezug auf Informationssicherheit und Datenschutz nachhaltig zu steigern, sind IT-Dienstleister genauso gefragt wie Politik und Verbände, die für den Ausbau einer absolut vertrauenswürdigen Breitbandinfrastruktur zu sorgen haben. Andernfalls drohen deutsche Unternehmen, den Anschluss an die vierte industrielle Revolution zu verlieren.