„AurOrA“ (Autonomer Obstplantagenhelfer Altes Land) ist ein kleines autonom fahrendes Fahrzeug, das sich künftig auf Obstplantagen selbstständig bewegen und gefüllte Obstkisten detektieren, aufnehmen und zu einem definierten Entladepunkt bringen soll. Der Roboter bedeutet eine Entlastung für die Erntehelfer und ermöglicht, dass diese sich anspruchsvolleren Aufgaben widmen. Monotone, ermüdende Tätigkeiten sollen durch Technik und Automatisierung mehr und mehr vermieden werden; das erleichtert die Arbeit für Obstbauern erheblich. Die Idee für das Projekt stammt aus der Praxis: Obstbauer Johann Schröder aus Jork im Alten Land südwestlich von Hamburg bat die hochschule 21 in Buxtehude um Unterstützung bei der Entwicklung eines solchen autonom agierenden Fahrzeugs. Gemeinsam mit dem Landmaschinenhersteller PWH aus Jork wurde das Projekt im Februar 2020 gestartet. Der Bedarf an technischer Unterstützung ist bei Obstplantagenbesitzern hoch und so soll das Projekt mittelfristig zu einem marktreifen, wirtschaftlichen Produkt werden. Die eigentliche Zielsetzung des Projekts ist jedoch, bis Januar 2023 zunächst einen funktionsfähigen Prototyp zu realisieren, um die technische Machbarkeit zu zeigen. Gefördert wird das Projekt über das ZIM-Förderprogramm des Bundeswirtschaftsministeriums.
Zweiter Meilenstein: Roboter fährt autonom
Aktuell befindet sich das Projekt im letzten Planungsdrittel, nachdem der zweite Meilenstein erreicht wurde: Der Roboter kann bereits weitgehend autonom in der Plantage agieren. Gearbeitet wird noch an der Kollisionsvermeidung und der Erkennung des Untergrunds, z. B. bei matschigem Boden, um zu vermeiden, dass die Räder durchdrehen und sich das Fahrzeug festfährt oder in einen Graben abdriftet. Meilenstein Nummer drei wird dann die tatsächliche Kistenaufnahme samt Transport sein.
Ein solches Entwicklungsprojekt birgt stets besondere Herausforderungen, angefangen bei der Koordinierung der Interessen zwischen diversen Obstbaubetrieben, die oft sehr unterschiedliche Ernteprozesse haben, über infrastrukturelle Probleme wie einen stabilen Mobilfunkstandard, damit der Roboter GPS-Daten empfangen und auch mit dem Bediener kommunizieren kann, bis hin zu praktischen Schwierigkeiten im täglichen Outdoor-Betrieb (Witterung, Schnee, Regen, Sonneneinstrahlung, Untergrundbeschaffenheit).
SIKO unterstützt zukunftsfähige Projekte
Für ein autonom agierendes Fahrzeug sind Sensoren nötig, die verschiedene Messaufgaben am Fahrzeug übernehmen. Für die Lenkwinkelerfassung sowie die Positionserfassung der Kistenaufnehmer wurde Mess- und Sensorspezialist SIKO angefragt. Mit langjähriger Erfahrung bei mobilen Maschinen und in der Landmaschinentechnik konnte die Firma SIKO ihre Expertise in die Planungsphase einbringen und schließlich zwei passende Drehgebertypen beisteuern, die diese wichtigen Funktionen unterstützen. Alexander Kammann, wissenschaftlicher Mitarbeiter der hochschule 21, schätzt das Engagement der SIKO-Experten: „Wir waren positiv überrascht, mit welcher Bereitschaft SIKO zukunftsfähige Projekte fördert und wie viel Beratungsengagement ihrerseits hineinfließt. Anfangs wussten wir noch gar nicht genau, welche Anforderungen wir tatsächlich an die Sensoren hatten. Das wurde gemeinsam erarbeitet und definiert.“
Robuste Drehgeber für raue Umgebungsbedingungen
In erster Linie mussten mögliche Sensoren sehr robust und unempfindlich gegenüber den rauen Outdoor-Bedingungen sein (Matsch, Staub, Regen, starke Sonneneinstrahlung, Bodenunebenheiten). Komponenten aus dem PURE.MOBILE-Sensorbaukasten von SIKO sind besonders für den Einsatz in mobilen Maschinen unter widrigen Umgebungsbedingungen geeignet. Am hinteren Teil des Gefährts ist ein Doppelrad verbaut, das sich drehen kann und so die Lenkung erzeugt. Der Lenkwinkel wird durch den magnetischen Drehgeber WV5800M aufgenommen, verarbeitet und an die Steuerung gesendet. Es handelt sich um einen Multiturn-Drehgeber, mit dem auch mehrere Umdrehungen absolut erfasst werden können. Sollte die Spannung einmal unterbrochen werden, z. B. weil die Akkus leer sind, ist der zuvor eingestellte Lenkwinkel immer noch vorhanden. Ohne Absolutwertgeber würde dieser beim erneuten Hochfahren des Fahrzeugs fälschlicherweise als Null-Grad-Winkel definiert werden. Das magnetische Messprinzip kommt den Anforderungen an Robustheit und Unempfindlichkeit entgegen. Überzeugt hat das Projektteam auch die hohe Präzision und Zuverlässigkeit des Drehgebers, damit das Fahrzeug stets den Lenkwinkel so anpasst, dass es seinen definierten Pfad umsetzen kann – ohne Ausfallerscheinungen und zu große Toleranzen. Um hier die Sicherheit, auch in der Interaktion mit in der Plantage arbeitenden Personen, noch zu erhöhen, soll für künftige Fahrzeuge die Safety-Variante des Drehgebers, WV58MR, mit redundanter Positionserfassung zum Einsatz kommen, um Ausfälle sicher zu verhindern. In der Entwicklungsphase war zunächst die technische Machbarkeit im Fokus, sodass der Drehgeber ohne Safety-Standard ausreichend war. Der Pluspunkt bei den SIKO-Modellen: Die beiden Drehgeber sind baugleich, sodass keine mechanischen Anpassungen der Applikation bei einem Austausch vorgenommen werden müssen. Gewünscht war für die Lenkwinkelerfassung außerdem eine CANopen-Schnittstelle, um möglichst viele standardisierte Elektronikkomponenten verwenden zu können, die schnell austauschbar und in das Bus-System integrierbar sind.
Positionssensoren für die „Flipper“
Der zweite SIKO-Drehgeber AH25S ist noch einmal kleiner und kompakter, aber nicht weniger robust. Er ist ein Singleturn-Drehgeber, der die Position der Kistenaufnehmer, der sogenannten Flipper, überwacht. Die befüllte Obstkiste wird an vier Punkten über jeweils einen Flipper aufgenommen. Wenn der Roboter über die Kiste hinwegfährt und diese die federbelasteten Aufnehmer touchiert, schwenken die Flipper zur Seite, klappen im Anschluss automatisch wieder aus und befinden sich dann unterhalb der vier Kistenecken zur Aufnahme. Um die Kisten sicher transportieren zu können, muss die jeweilige Position der Flipper bekannt sein: Ist er wirklich zurückgeschwenkt oder hat er sich vielleicht verklemmt? Befinden sich alle vier Flipper unterhalb der Kiste, um die Aufnahme zu gewährleisten? Der Bauraum ist hier sehr begrenzt, sodass ein Drehgeber in Miniaturausführung gefragt war, der direkt vor Ort ohne spezielle Halterung eingesetzt werden konnte. Hier ist ein Analoggeber ausreichend, da die Dateninformationen weniger kritisch sind als die des Lenkwinkelsensors.
Erntehelfer mit echtem Mehrwert
Viele kleine Rädchen müssen bei einem solchen Entwicklungsprojekt ineinandergreifen, um aus einer vagen Idee ein technisch einwandfreies Produkt zu gestalten, das perspektivisch auch in einer ausgewogenen Kosten-Nutzen-Relation Einsatz auf zahlreichen Obstplantagen finden kann. Um Betrieben einen echten Mehrwert bieten zu können, ist angedacht, „AurOrA“ auch für weitere Pflegearbeiten wie Mulchen und Mähen oder als Unterstützung bei der Neuanpflanzung von Bäumen zu nutzen. So ist ein effektiver Einsatz fast über das ganze Jahr hinweg möglich und dieser nicht nur auf die Erntezeit beschränkt.