TR: Sie haben in jüngster Zeit einige neue Produkte vorgestellt, die auf das vereinfachte Handling von Energieketten abzielen. Eines davon ist der sogenannte magnetische Adapter magsnap. Was hat es mit dieser Lösung auf sich, und auf welche Applikationen zielen Sie damit ab?
Blaß: Bei magsnap handelt es sich um magnetische Clips, die auf der Energiekette angebracht werden, um so den vorgegebenen Lauf an einer Metalloberfläche einzuhalten und ein Hin- und Herschwingen der Kette zu verhindern. Für lange vertikal hängende Anwendungen wie bei Regalbediengeräten oder Aufzügen ist das interessant. So muss keine komplette Führungsrinne verbaut werden, wodurch Kosten, Montageaufwand, Bauraum und Gewicht gespart werden. Auch bei bereits bestehenden Systemen kann magsnap schnell und unkompliziert nachgerüstet werden, da die Clips auf unsere Standard-Öffnungsstege passen. Diese Neuentwicklung ist aus einer Kundenanforderung in der Automobilindustrie heraus entstanden.
TR: Das steckbare Energiekettensystem readychain speed, das Sie in diesem Jahr zur Hannover Messe vorgestellt haben, ist ein weiterer Baustein auf dem Weg zum einfachen Handling. Welche Vorteile bringt es dem Anwender?
Blaß: Das steckbare Energiekettensystem readychain speed schließt konfektionierte e-kettensysteme sekundenschnell und ohne den Einsatz von Werkzeugen an. In Produktionsstraßen, in denen mittelgroße Stückzahlen von hohem Wert oder günstige Komponenten in großer Stückzahl und mit hoher Geschwindigkeit gefertigt werden, hat das ganz konkrete Vorteile: Während des Produktionsprozesses können e-ketten mit der steckbaren Energiekette blitzschnell und komfortabel ausgetauscht werden, so dass die Maschinenstillstandzeiten auf ein Minimum reduziert werden. Die Stecker machen darüber hinaus die Montage besonders einfach: LWL-, Steuer-, Servo-, Daten- und Pneumatikleitungen können während des Transportes nicht mehr verrutschen. Zudem ist für die Installation des steckbaren readychain speed-Systems keine besondere Qualifikation nötig, da das kompakte Modul ganz ohne Werkzeuge eingebaut werden kann.
TR: Bedeutet diese Konzentration auf die einfache, schnelle Handhabung im Umkehrschluss, dass die eigentliche Produktqualität bei Energieketten - etwa im Hinblick auf das verwendete Material - weitestgehend optimiert ist und sich eben in diesem Bereich die Diversifizierung der unterschiedlichen Anbieter abspielt?
Blaß: Richtig ist, dass die Diversifizierung zunimmt. Besondere Anforderungen benötigen individuelle Lösungen. Richtig ist aber auch, dass die Produktqualität dabei eine entscheidende Rolle spielt. So sind heute Anwendungen, beispielsweise im Hochtemperaturbereich, realisierbar, die vor Jahren nicht denkbar waren. Dreh- und Angelpunkt für alle Neuentwicklungen ist bei igus das 1.750 qm große Testlabor. Jährlich werden dort rund zwei Milliarden Testzyklen an über 50 Versuchsanlagen ausgeführt. Die Ergebnisse fließen in eine Datenbank, auf deren Grundlage die Lebensdauer der Produkte exakt berechnet werden kann. Diese Funktion ist für alle Anwender frei über den Online-Konfigurator auf der Homepage zugänglich.
TR: Welche Branchen stellen generell die höchsten Anforderungen an Energieketten und in welcher Hinsicht?
Blaß: Die Anforderungen an zeitgemäße Energieführungen sind in den Branchen äußerst unterschiedlich: Sie umfassen Verfahrwege zwischen ein paar Millimetern und mehreren hundert Metern sowie Umgebungsbedingungen vom Reinraum bis hin zum Kompostwerk. Geführt wird alles von der kleinen Initiatorleitung bis hin zum schweren Schlamm-Absaugschlauch mit 300 mm Durchmesser. Viele Branchen fordern besondere Werkstoffe für ihre Fertigung und Prozesse wie leitfähige Materialien in der Elektronik oder Schutz gegen heiße und scharfkantige Späne im Werkzeugmaschinenbau. Ein Beispiel, wo höchste Anforderungen an die Energiezuführung gestellt werden, ist der Offshore- und Schiffbau-Bereich. Die Energieketten aus Hochleistungskunststoffen sind wartungs- und schmiermittelfrei, seewasser-, UV-, chemikalien- und korrosionsbeständig sowie betriebssicher und stabil, und das bei im Vergleich zum traditionellen Werkstoff Stahl weitaus geringeren Gewicht und Preis.
TR: In Kürze geht in Nürnberg die SPS IPC Drives, internationale Fachmesse für die elektrische Automatisierung, über die Bühne, bei der auch igus wie jedes Jahr ausstellen wird. Können Sie in Bezug auf die Energieketten bereits einen Ausblick geben, was die Fachbesucher dort auf Ihrem Stand erwarten wird
Blaß: Die SPS bietet die Möglichkeit nicht nur die Neuheiten, sondern auch einen Querschnitt aus dem über 100.000 Produkte umfassenden motion plastics Programm live auf dem Stand zu erleben. Und das nicht nur statisch, sondern vor allem auch in Bewegung. Wir freuen uns, wenn die Kunden dadurch und durch die persönlichen Gespräche auf dem Stand Inspirationen bekommen wie sie mit motion plastics die Kosten senken und die Lebensdauer ihrer individuellen Anwendung erhöhen können. Im Rahmen der 150 Neuvorstellungen in diesem Jahr zeigen wir unser breites Know-how im Bereich der Energiekettensysteme; neue chainflex- und konfektionierte readycable-Leitungen ebenso wie Energieketten. Unter anderem das neue Energierohr E2.75, welches beidseitig zu öffnen ist und gleichzeitig zuverlässigen Schutz vor Spänen und Schmutz bietet. Aber auch die readychain speed und magsnap werden dort zu sehen sein.
TR: Wenn man sich die Einsatzgebiete von Energieketten anschaut, so sind diese mannigfaltig, und jede Branche bringt sicherlich unterschiedliche Anforderungen mit sich. Gibt es bei der vorhandenen Diversifizierung dennoch Kriterien, die bei allen Branchen erfüllt sein müssen, und wo sehen Sie die künftigen Trends bei der Entwicklungen neuer Lösungen?
Blaß: Mit dem Baukastensystem E2/000 und E4.1 hat igus zwei Kunststoff-Energieketten entwickelt, die aufgrund ihrer Modularität und ausgefeilten Konstruktion nahezu alle Maschinen und Anlagen störungsfrei mit Energie, Daten und Medien versorgen und für 80% Prozent aller Anwendungsfälle geeignet sind. Neben diesen "Alleskönner"-Ketten, sind Energieführungen wichtig, die besondere Herausforderungen in den einzelnen Branchen berücksichtigen. Das reicht von der CRC-Reinraumkette über die triflex TRCF in der Robotik bis hin zum e-cord micro für die Medizintechnik. Für alle e-ketten gilt, sie sollen Kosten senken, die Technik einer Anwendung verbessern und die Energieführung besonders leicht machen. So sind die Kettenöffner von igus ein gutes Beispiel, wie mit praktischen Ideen Zeit im Arbeitsalltag eingespart werden kann. Denn mit den Kettenöffnern lässt sich die Montagezeit rapide senken: Sei es durch schnelles Aufhebeln verschiedener Energieketten-Serien, dem komfortablen Einsetzen von Trenn- sowie Rasttrennstegen oder Fachböden bis hin zum Einsatz an Öffnungsstegen. Benötigt man für das Öffnen einer Kette manuell beispielsweise 33 Sekunden, gelingt dies mit dem igus-Kettenöffner in nur zwei Sekunden. Diese Fokussierung auf individuelle Kundenwünsche und die Entwicklung neuer Produkte aus diesen heraus - wie beispielsweise magsnap - wird auch in den kommenden Jahren unser Handeln weiter bestimmen.