Das britische Unternehmen Renishaw mit deutscher Niederlassung in Pliezhausen bei Stuttgart genießt einen weitreichenden Bekanntheitsgrad, der sich in erster Linie auf Angebote zur Präzisionsmessung bezieht. Dass Renishaw auf dem Gebiet des 3D-Metalldrucks zu den weltweit führenden Unternehmen gehört, ist dagegen weit weniger bekannt.
Der Startschuss für das Engagement im Bereich der additiven Fertigung fiel im Jahr 2011, als Renishaw die Firma MTT Technologies Ltd., übernahm. Seither wird das selektive Laserschmelzen unter Argon-Schutzgasatmosphäre und die dazu erforderliche Maschinentechnik konsequent weiterentwickelt.
Das jüngste Ergebnis dieser Entwicklungsarbeit ist das neue generative Fertigungssystem RenAM 500M. Sie überzeugt durch vorteilhafte Merkmale, wie z. B. einen geringen Gasverbrauch, eine patentierte Atmosphärengenerierung und minimale Stellfläche. Auch die Bedienzeit fällt durch effizientes Werkstoff-Handling über das eingebaute Sieb- und Pulverrückführungssystem gering aus, Prozessemissionen werden sicher über den patentierten dualen SafeChange™-Filter geleitet.
Erfolgsfaktor Anwendungs-Know-how
Doch hochwertige Maschinentechnik ist nicht alles, was Renishaw zu bieten hat. Mit der 2013 erfolgten Übernahme der LBC LaserBearbeitungsCenter GmbH, fortgeführt als Geschäftsfeld LBC Engineering unter dem Renishaw Deutschland-Dach, verfügt das Unternehmen über langjähriges Anwendungs-Know-how in generativen Prozessen. Ralph Mayer, zuständig für Dienstleistungen rund um die additive Fertigung, erläutert das Entstehen der Bauteile: „In einem extrem dünnen Bett aus Metallpulver werden mit einem hochleistungsfähigen Ytterbium-Faserlaser gezielt jene Bereiche geschmolzen und dann beim Abkühlen verfestigt, die das Bauteil ergeben sollen.“ Mit immer neuen Metallpulverschichten wird dieser Vorgang so oft wiederholt, bis das Teil fertig ist. In der Regel werden Schichtdicken zwischen 20 und 60 µm gewählt. Je dünner die Schichten sind, umso besser werden Genauigkeit und Oberflächenqualität. Mit steigender Zahl der Schichten erhöhen sich Fertigungszeit und somit die Herstellungskosten, allerdings sinkt möglicherweise der Aufwand für eine Nachbearbeitung der Werkstücke.
Ralph Mayer verspricht: „Das Gefüge der additiv erzeugten Werkstücke kann eine zu 99,9 Prozent gleiche Struktur erreichen, wie gewalzte oder gegossene Metallteile. Doch muss für jedes Bauteil die richtige Strategie gewählt werden. Unsere Stärke liegt in der Kompetenz, die technischen Herausforderungen der Kundenbauteile zu analysieren und gemeinsam mit dem Kunden Lösungswege zu erarbeiten.“
Kooperationsstrategie sichert Kunden den schnellen Erfolg
Deshalb macht Renishaw ein besonderes Angebot: Potenzielle Kunden können sich zunächst mit der generativen Fertigung im Rahmen ihrer konkreten Anforderungen vertraut machen lassen – inklusive Tests und Produktion auf Maschinen bei Renishaw. „Erst wenn der Kunde klar sieht, ob sich dadurch für ihn eine interessante Wertschöpfung ergibt, steht die Frage des Kaufs einer Anlage im Raum“, betont Mayer. „Wir bieten aber auch Dienstleistungen und erweiterte Kooperationen zur additiven Bauteilgenerierung an.“
Ein Unternehmen, das sich auf eine solche Partnerschaft eingelassen hat, ist die Komet Group, einer der führenden Hersteller von Präzisionswerkzeugen. Schon seit Jahren untersuchen die Werkzeugspezialisten, welche konkreten Potenziale der 3D-Druck für die Werkzeugherstellung bietet. Seit einem Jahr arbeitet Komet mit Renishaw zusammen, „weil uns deren Angebot sowohl technisch als auch von der Anwendungsseite her überzeugt hat“, erläutert Dr. Reinhard Durst, Leiter Forschung und Entwicklung Hartmetallwerkzeuge. Er ist vom Potential der 3D-Drucktechnik begeistert: „Allein schon die Möglichkeit, die Werkzeuggeometrie innen und außen frei zu gestalten, macht die generativen Verfahren für uns zu einem Zukunftsthema. Denn damit lässt sich die Leistungsfähigkeit und Produktivität der Werkzeuge enorm steigen, was für unsere Kunden einen deutlichen Mehrwert schafft.“
Produktivere Werkzeuge dank additiver Fertigung
Das erste der gemeinsam mit Renishaw bearbeiteten Projekte war die Entwicklung neuer PKD-Einschraubfräser, deren additiv generierter Grundkörper mit PKD-Schneiden bestückt und auf einen Werkzeughalter aufgeschraubt wird. Diese Werkzeuge sind inzwischen Bestandteil des Komet-Katalogangebots. Reinhard Durst berichtet: „Durch das additive Verfahren ist es uns gelungen, wesentlich mehr PKD-Schneiden auf einem Werkzeug unterzubringen. Wir haben die Anordnung der Schneiden geändert und wesentlich größere Achswinkel realisiert. Wir konnten die Nuten im Vergleich zu konventionell gefrästen Werkzeugen deutlich verkürzen. So wird das Werkzeug für den Anwender sehr viel produktiver.“ Bei einem 32 mm-Einschraubkopf beispielsweise wurde die Zahl der Nuten und Schneiden von sechs auf zehn gesteigert. Entsprechend ermöglicht das Werkzeug einen in diesem Verhältnis erhöhten Vorschub.
Nach einem Jahr der Zusammenarbeit sieht Reinhard Durst die Entscheidung für die Partnerschaft mit Renishaw vollauf bestätigt: „Die Strategie für das Laserschmelzen kann man sich nicht einfach selbst erarbeiten. Wer eine Maschine kauft und sagt, ich probiere das selber aus, wird scheitern. Um ein gutes Werkzeug zu erzeugen, kommt es entscheidend darauf an, welche Laserprozessstrategie man wählt und wie man vorgeht. Da ist viel Know-how von Renishaw eingeflossen.“
Die Kooperationsstrategie treibt Renishaw mit dem Aufbau sogenannter „Solution Center“ voran. Dort können Kunden aktuelle AM-Maschinen mieten und damit eigenständig arbeiten. Sie haben dabei aber stets Renishaw-Mitarbeiter in der Nähe, die sie um Rat fragen können. So kann beim Kunden die Zahl möglicher Fehler reduziert werden und Renishaw gewinnt wichtige Informationen, um Maschinen und Technologien weiterentwickeln zu können
Rasanter Fortschritt
Da der 3D-Druck mit Metall noch eine sehr junge Technologie ist, schreitet die Entwicklung stürmisch voran. Neben der aktuellen, eigenentwickelten RenAM 500 M präsentierte Renishaw auf der AMB 2016 die speziell auf die AM-Technologie ausgerichtete Software QuantAM, die aus CAD-Daten das Programm für die schichtweise Produktion von Werkstücken erstellt. Sie platziert die Teile auf der Arbeitsfläche des „Druckers“, ergänzt Stützkonstruktionen, die auch zur Wärmeableitung dienen und unterteilt die Fertigungsdaten in die einzelnen Schichten.
Weitere Neuentwicklungen sind zu erwarten. So arbeitet Renishaw aktuell an neuen Werkstoffen sowie an Regel- und Qualitätsüberwachungssystemen für die RenAM-Maschinen. Dadurch soll zum einen der Produktionsablauf automatisiert und zum anderen die derzeit noch spürbaren Abhängigkeiten zwischen dem Know-how des Bedieners und der Qualität des hergestellten Produkts reduzieren werden. Dabei ist die Einbettung der additiven Fertigung ins Renishaw-Portfolio von großem Vorteile, wie Ralph Mayer unterstreicht: „Renishaw ist das einzige Unternehmen, das die komplette Prozesskette vom CAD/CAM über die Produktion bis zur Qualitätssicherung durch entsprechende Messtechnik aus einer Hand abbilden kann.“