Immer mehr Anwendungen senden Daten über das Anlagennetz. Das können hochauflösende Videobilder zur Überwachung von Prozessen sein, Qualitätsdaten für welche sie in der Berichtspflicht stehen oder aber auch Backups von PC Systemen. Fakt ist, neben den prozessbedingten Echtzeitdaten kommen immer mehr Standard Ethernet Daten hinzu, die sogenannte Non-Real-Time Daten, welche erhebliche Auswirkungen auf die Kommunikationsnetze haben - sie werden nicht nur immer vielschichtiger, sondern sie stoßen im ungünstigen Fall immer häufiger an ihre Kapazitätsgrenzen. Industrie 4.0 ist längst in der Produktion angekommen, jedenfalls was die Datenseite betrifft. Die Komplexität industrieller Netze steigt stetig an, denn Connectivity vom Sensor bis hinein in die Cloud ist gefordert. Die Schattenseite: Falsch geplante Netze können hier an ihre Grenzen stoßen, wenn nicht bereits während der Planungsphase das Datenaufkommen berücksichtigt wurde. Im schlimmsten Fall führen solche Engpässe im Datenverkehr sogar zum Ausfall von Teilnehmern und Segmenten, sodass größere Fertigungsabschnitte betroffen sein können. Eine der Hauptaufgaben vorausschauender Netzplanung besteht deshalb darin, die vorhandenen Netzwerkressourcen richtig zu beurteilen, um dann fundierte Entscheidungen über das weitere Vorgehen zu treffen.
Voraussetzung für die „digitale Fabrik“
Profinet bietet den Vorteil gegenüber anderer Feldbus-Systeme, dass neben der IO-Kommunikation auch Standard Ethernet Kommunikation über ein Kabel übertragen werden kann. Ohne zusätzliche Kosten in Form von getrennten Netzen können alle notwendigen Daten schnell und sicher übertragen werden. Bei der Profinet Kommunikation werden IO-Daten, wie Prozessdaten und Alarme, immer in Echtzeit (Real Time) übertragen, für welche bereits im Engineering (z.B. bei SimaticSTEP 7) die mögliche Netzauslastung berücksichtigt wird um einen zuverlässigen Betrieb der Anlage zu gewährleisten. Doch neben diesen Echtzeitdaten, werden in Automatisierungsanlagen immer häufiger auch umfangreiche Standard Ethernet Daten, wie z.B. TCP/IP Daten übertragen. Das können im einfachsten Fall Bilddaten von Bedienstationen (HMI Systemen) sein. Auch wenn Real Time Kommunikation priorisiert bzw. bandbreitenreserviert ist, macht es trotzdem Sinn sich über die Gesamtauslegung des Netzwerkes Gedanken zu machen und die Netzauslastung richtig abschätzen und beurteilen zu können.
Auch die Non-Real-Time Kommunikation bekommt immer mehr Bedeutung für den Betrieb der Anlage und ist in vielen Fällen inzwischen prozessrelevant. So wird zum Beispiel der Fertigungsablauf gestoppt, wenn die zum Teil gesetzlich erforderlichen Qualitätsdaten nicht zu einem Server im überlagerten Netz transportiert und dort gespeichert werden können. In diesem Fall hat die bis dato unkritische Standard Kommunikation einen sehr bedeutenden Einfluss und Auswirkung auf das Anlagenverhalten.
Datenstau auf dem Ethernet - Warum kann es zu Engpässen kommen?
Bei der Beurteilung der Netzauslegung ist es wichtig nicht nur die durchschnittliche Datenrate zu berücksichtigen, sondern es muss auch die Portauslastung der Switche betrachtet werden.
Die Datenrate gibt darüber Auskunft, wieviel Daten im Durchschnitt über die Ethernet Leitung gesendet werden. Bei einer Auslastung von z.B. 20 % auf einer Leitung mit 100 Mbit/s entspricht dies einer durchschnittlichen Auslastung von 20 Mbit pro Sekunde. Dieser Wert ist aber nur bedingt hilfreich, da er nichts darüber aussagt, wie sich diese Daten im Rahmen der einen Sekunde verteilen. Dies kann eine recht gleichmäßige Verteilung sein wie durch die IO-Daten erzeugt, können aber auch schwallartige Daten, ein sogenannter Burst sein, der von PC Applikationen oder von Kamerasystemen generiert wird, siehe Abb. 1.
In beiden Fällen beträgt die durchschnittliche Datenrate 36 Mbit/s, wobei es bei einem burstartigen Datenaufkommen durchaus zu einer kritischen Situation im Anlagennetz kommen könnte. Trotz recht geringer durchschnittlichen Datenrate kann es im Netz somit vorkommen, dass auf einem Switch an unterschiedlichen Ports solche Daten-Bursts eintreffen und auf einem gemeinsamen Port weitergeleitet werden sollen. Dieses Verhalten lässt sich mit dem Vergleich eines Autobahnkreuzes verdeutlichen. Im Berufsverkehr kommen von zwei Richtungen sehr viele Fahrzeuge, welche alle in die gleiche Richtung weiterfahren wollen. Was bei einem durchschnittlichen Verkehrsaufkommen sehr gut funktioniert, hat im Berufsverkehr – dem „Burst“ – einen Stau zur Folge.
Das Switch-Verhalten bietet nun den Vorteil, dass die an den Eingang-Ports ankommenden Daten im Switch in Warteschlangen (Queues) nach Priorität sortiert, zwischengespeichert und entsprechend der Prioritäten weitergeleitet werden. Dadurch ist es möglich, den Echtzeittelegrammen der IO-Daten (RT Daten) Vorfahrt zu gewähren und damit die Real-Time Kommunikation trotz hohem Datenaufkommen sicherzustellen. Die Standard TCP/IP Daten werden in den Queues der Switche zwischengepuffert und im Anschluss an die RT Daten gesendet. Die Menge der zu puffernden Daten gibt die Auslastung der Ports an, siehe Abb. 2.
Sollte nun der Fall eintreten, dass aufgrund großer Bursts mehr Daten ankommen als in den Queues zwischengespeichert werden können, kann es zu Netzwerkstörungen und im schlimmsten Fall zur Verwerfung von TCP/IP Telegrammen kommen, siehe Abb. 3.
Agieren statt reagieren!
Um eine Anlagenstörung aufgrund stark verzögerter oder sogar fehlender Daten zu vermeiden, muss eine zuverlässige Kommunikation sichergestellt werden. Dies könnte mittels einer Validierung des Netzwerkes nach dem Aufbau der Anlage erfolgen. Hier stellt sich die Frage, inwieweit es sich als sinnvoll erweist Probleme in der Anlage rückwirkend zu suchen und zu beheben. Effizienter ist es, potenzielle Probleme bereits während der Planungsphase zu erkennen und von vornherein zu vermeiden.
Der Siemens Network Planner (Sinetplan) unterstützt bei der Planung und Auslegung von Profinet-Netzwerken, insbesondere wenn neben der RT bzw. IRT Kommunikation noch viel sogenannte Non-Real-Time Kommunikation hinzukommt. Am schnellsten geht es durch den direkten Import von einem oder auch mehrerer vorhandener Engineering Projekte, wodurch Zeit eingespart und Fehler vermieden werden. Das Tool berechnet und simuliert die Netzwerkauslastung in einem Netzwerk und zeigt kritische Stellen auf, an denen die Netzwerkauslastung zu hoch ist. Dazu simuliert das Tool die Netzlast in Kombination der Echtzeit-Daten sowie der Non-Real-Time Kommunikation verursacht durch Standard-Ethernet-Teilnehmer. Auf einen Blick erhält der Anwender eine Übersicht über die durchschnittliche Datenrate aller Verbindungen sowie die portgranulare Auslastung der Warteschlangen in allen Geräten. Mit einem Klick kann er für jede Verbindung und jeden Port die Details der zu transportierenden Daten ansehen.
Vor der Installation und Inbetriebnahme erhält man so einen umfassenden Überblick und Transparenz über die Netzwerkauslastung der geplanten Anlage. Zeigt der Siemens Network Planner kritische Netzabschnitte auf, kann schnell und einfach mit geringem Aufwand (z.B. durch Topologieänderungen) umgeplant und die Simulation erneut gestartet werden. Befindet sich die Anlage in einem optimal geplanten Zustand, kann zum Zweck der Dokumentation und des Nachweises ein umfangreicher Report erzeugt werden, welcher von einer Geräteliste, den jeweiligen Netz- und Portauslastungen, bis hin zur Topologieübersicht alle benötigten Informationen enthält.
Darüber hinaus bietet das Tool die Möglichkeit, Validierungen auf Basis der geplanten Anlage durchzuführen oder Online die Topologie einer bestehenden Anlage zu scannen und auf dieser Basis Wireshark Aufzeichnungen zu analysieren. Nach der Analyse können die verschiedenen Datenflüsse als Templates für zukünftige Simulationen in einem Katalog gespeichert werden.
Fazit
Der Siemens Network Planner eröffnet ganz neue Möglichkeiten der Netzwerkplanung. Er unterstützt den Anlagenplaner das geplante Netzwerk zu optimieren, Netzwerkressourcen bestmöglich auszuschöpfen oder Reserven einzuplanen. So lässt es sich auf eine effiziente Art und Weise vermeiden, dass Probleme erst bei der Inbetriebnahme oder gar im Produktivbetrieb auftreten. Dies erhöht die Produktionsverfügbarkeit, die Betriebssicherheit wird verbessert und es kann von dem Profinet Vorteil „Ein Kabel für alles“ profitiert werden.