Das Jubiläumsjahr des ersten Autos der Welt mit Verbrennungsmotor neigt sich dem Ende zu. In ganz Deutschland, besonders jedoch im Erfinderland Baden-Württemberg, feierte man den 125. Geburtstag des Benz´schen Patent-Motorwagens. Selbstredend, dass in diesem Jahr besonders viele der rund 50 weltweit existierenden Nachbauten dieses Motordreirades - teils fahrend, teils stehend - auf diversen Veranstaltungen rund um den Automobilsommer 2011 präsentiert wurden. "Ehre wem Ehre gebührt" könnte man dieses Jubiläumsjahr kurz um-schreiben - wäre da nicht dieser bittere Beigeschmack, der immer häufiger um sich greift und an dem Image des doch schon in die Jahre gekommenen Verbrennungsmotors kratzt. Längst wissen nicht nur die Experten, dass spätestens dann, wenn Erdöl als Kraftstoff zu kostbar sein wird, das letzte Stündlein für diesen Antrieb geschlagen hat. Auch kommt nicht von ungefähr, dass mittlerweile alle größeren Automobilkonzerne, die am Ball bleiben möchten, alltagstaugliche Elektroauto-Konzepte bieten oder sogar bereits in deren Serienproduktion ein-gestiegen sind. Dem Elektroauto steht also möglicherweise eine große Zukunft bevor. Doch was weiß man über dessen Vergangenheit?
Geschichte mit Spannung
Horst Schultz, Leiter und Gründer des Museum Autovision hat sich diesem Thema schon vor 10 Jahren verschrieben, nicht zuletzt, da er damals mit dem Baubeginn des Museums gleichzeitig das Konzept einer Elektromobil-Ausstellung plante, welche bis heute fester Bestandteil der Autovision ist. Bisher waren dort Elektrofahrzeuge ab dem Jahre 1899 zu sehen. Schon diese Jahreszahl sorgte bei den meisten Besuchern für großes Staunen. Doch dass die Elektromobilität noch viel älter ist, wird nun von der Autovision mit einer spektakulären Weltpremiere präsentiert. Horst Schultz, von Haus aus Unternehmer und gelernter Elektroingenieur, machte sich mit seinem gut eingespielten Museums-Werkstatt-Team zur Aufgabe, das wirklich allererste straßentaugliche Elektroauto der Welt, von dem offensichtlich kein einziges mehr existierte, fahrbereit nachzubauen.
Zunächst musste man recherchieren, welches Fahrzeug eigentlich als erstes Elektroauto der Welt gilt. Da gab es bereits im Sommer 1881 einen Versuch des Franzosen Gustav Trouvé, der extra für die damals erstmalig stattfindende Elektrizitätsmesse in Paris ein Coventry-Tricycle (Fahrrad mit drittem Stützrad) mit einem Elektromotor bestückte. Allerdings war die Batterietechnik mitsamt der Geschwindigkeitsregelung bei diesem Gefährt eher belustigend als straßentauglich. Über Seilzüge wurden die Bleiplatten in die Säure der offenen Batterien getaucht. Je nach Tauchtiefe wurde das Dreirad, mit etwas Glück, schneller oder langsamer. Doch einige Monate später präsentierten die beiden Wissenschaftler William Ayrton und John Perry in England einen Elektrowagen, der bis heute als erstes straßentaugliches Elektroauto der Welt in die Geschichte eingehen sollte. Genau dieses Fahrzeug wurde nun ins Visier des Autovision-Teams genommen, um es schließlich nachbauen zu können.
Vom Dreirad zum Auto
Ebenso wie der immerhin fünf Jahre jüngere Patent-Motorwagen von Carl Benz, hatte auch das Elektromobil von Ayrton & Perry drei Räder. Das liegt daran, dass sowohl Benz als auch die beiden Wissenschaftler damals bereits existierende dreirädrige Fahrräder, so genannte "Tricycles" als Grundlage für ihr motorisiertes Vorhaben nahmen. Bei Ayrton & Perry war es ein seinerzeit neu auf den Markt gekommenes Starley Tricycle. Um das erste Elektroauto der Welt nachzubauen, musste man es in der Autovision also zunächst den beiden Wissen-schaftlern gleich tun. Die Suche nach einem 130 Jahre alten Tricycle war jedoch kein leichtes Unterfangen. Doch nach langer Suche fand man tatsächlich genau das richtige Fahrzeug und konnte es, einigen Verhandlungen vorausgehend, dem Vorbesitzer abkaufen. Um diesem seltenen historischen und damit sehr wertvollen Original die Motorisierung zum Elektromobil zu ersparen, hatte man schon bei der Planung des Projektes beschlossen, dieses erst einmal 1:1 nachzubauen. Auf dieser Basis konnte es dann auch schon an die "Elektrifizie-rung" gehen. Doch welche elektrischen Instrumente gab es schon im Jahre 1881?
Marketing geht ein Licht auf
Ayrton & Perry präsentierten ihr Elektromobil damals wahrscheinlich weniger als erstes Elektroauto der Welt, obwohl es schon eine Reichweite von immerhin 40 Kilometern und eine Geschwindigkeit von bis zu 14 km/h erreichte. Vielmehr diente es als mobiler Werbeträger zur Vorstellung neuester Erfindungen aus der Elektrowelt auf den Elektrizitätsmessen der europäischen Metropolen. Gerade von den beiden Engländern neu konstruierte elektrische Messgeräte, ein Voltmeter und ein Ammeter (= Ampere-Meter) aber auch Edisons Glühlampen, die ein Jahr zuvor patentiert wurden und erst jetzt für eine Dauerbeleuchtung taugten, machten das Elektro-Tricycle somit zu einem echten "High Tech Mobil". Der Elektromotor benötigte auch schon damals wenig Platz und hing unscheinbar auf der Unterseite einer Holzplatte, welche Unterlage eines bequemen Holzsessels mit Lederkissen sowie eines erstmals vorgestellten Zellenschalters zur Geschwindigkeitsregelung war. Auffälliger, und für das Werkstatt-Team der Autovision weitaus schwieriger nachzubauen, war die große, festgelegte Rollenkette, welche die Kraft des Elektromotors auf die großen Vorderräder überträgt. Die Energielieferanten, in Serie angeordnete, wieder aufladbare Bleibatterien, sind auf einer zweiten Holzplatte "Parterre" angebracht. Das ist auch schon alles! Mehr Technik brauchte man schon damals nicht, um "automobil" zu werden.
Zeitmaschine Autovision
Etwa ein Jahr recherchierte und konstruierte man unter der Leitung von Horst Schultz im Museum Autovision, bis das erste Elektroauto der Welt neu zum Leben erweckt wurde. Ab sofort kann die ganze Welt wieder die Möglichkeiten der automobilen Fortbewegung vor 130 Jahren in Realität erleben - die es also schon fünf Jahre vor der eigentlichen Erfindung des Automobils von Carl Benz gab - und das sogar noch wesentlich komfortabler und fast geräuschlos.