Über 7000 Besucher aus dem In- und Ausland haben die Messe Sensor+Test 2015 in Nürnberg besucht und sich bei 550 Ausstellern sowie vielen Fachforen über den Stand in der Sensorik, Mess- und Prüftechnik informiert. Die Besucher waren zufrieden. Die Aussteller auch - wäre da nicht der Bahnstreik gewesen, der am zweiten und dritten Messetag die Besucherzahl drückte.
IEN D-A-CH hat nach Abschluss der Messe mit Dr. Thomas Simmons, Geschäftsführer des Verbands für Sensorik und Messtechnik (AMA), über die Entwicklung der Branche gesprochen.
IEN D-A-CH: Welche Bedeutung haben die deutschen Sensor- und Messtechnikunternehmen im internationalen Vergleich?
Simmons: Der Wirtschaftszweig Sensorik und Messtechnik gilt weltweit als führend, insbesondere in der Sensorik. Nach Umsatz decken deutsche Anbieter über 30 Prozent des weltweiten Bedarfs. Die Exportstärke der deutschen Sensorik und Messtechnik plus die der deutschen Industrie insgesamt führen dazu, dass deutsche Sensorik und Messtechnik ihren Einsatz zu über 80 Prozent im Ausland findet, entweder als direkt exportierte Ware oder indirekt, verbaut in anderen Produkten.
IEN D-A-CH: Welcher Trend oder welche Entwicklung war auf der Sensor+Test am offensichtlichsten spürbar?
Simmons: Schon lange erwartet aber erst jetzt allmählich eingetreten, fiel mir dieses Jahr auf, dass endlich der Markt und die Technologie für das Messen chemischer Größen reif werden. Es ist spannend zu sehen, wie dieser Markt immer schneller Fahrt aufnimmt. Es hat sich eine Art rückgekoppelte Dynamik eingestellt, wie sie schon von anderen technischen Gebieten zuvor bekannt ist: An der Schwelle zur Reife führen beschleunigte technologische Fortschritte immer schneller zu vermehrten Einsatzmöglichkeiten und mehr Nachfrage. Die vermehrte Nachfrage wiederum stimuliert weitere technische Entwicklungen. Die technischen Entwicklungen erhöhen die Einsatzmöglichkeiten und stimulieren somit die Nachfrage, und so weiter. Diese spannende Marktdynamik ist bei chemischen Sensoren jetzt deutlich zu erkennen. Dies spiegeln auch die Einreichungen zum AMA Innovationspreis deutlich wieder, wo die Anzahl und das Niveau bei den chemischen Sensoren von Jahr zu Jahr beständig gestiegen ist und inzwischen zu Nominierungen und Preisen führt.
IEN D-A-CH: Ihre Branche bietet sowohl Industriekonzernen, großen inhabergeführten Mittelständlern wie auch hunderten Kleinunternehmen und Start-ups Platz. Wie lange noch, wann kommt die Konsolidierungswelle?
Simmons: Das Karussell von Neugründung, Wachstum, Verkauf/Übernahme dreht sich schon sehr lange. Die Zahl der innovationsfreudigen Neugründungen in der Sensorik und Messtechnik dürfte mittelfristig zwar wachsen. Jedoch nehmen seit einigen Jahren Firmenzusammenschlüsse und Firmenübernahmen in der Tat zu. Ein Abflachen dieser Tendenz mit allmählicher Umkehr erwarte ich erst in den nächsten 5 bis 10 Jahren. Passend zu dieser Konsolidierungswelle lässt sich auf der Sensor+Test sehr gut beobachten, wie momentan die Nachfrage nach größeren Standflächen unter den Ausstellern zunimmt, während die Anzahl von Ausstellern eher stabil bleibt.
IEN D-A-CH: Der Bahnstreik hat der Messe am zweiten und dritten Tag Besucher gekostet. Ging dies auch auf Kosten von Vertragsabschlüssen und konkreten Geschäftsanbahnungen?
Simmons: Klar, der Bahnstreik hat die Anzahl Besucher an den letzten zwei Tagen dieser dreitägigen Messe vermindert. Dies war für viele Aussteller schmerzlich. Auf der Messe ging das Wort herum, man hoffe, dass dieser Streik die Entwicklung autonom fahrender Züge begünstigt - autonom fahrende Züge brauchen keine Lokomotivführer, dafür aber umso mehr Sensoren. Unmittelbar Aufträge wird der Streik aber nur wenige gekostet haben. Denn die Besucher der Sensor+Test kommen in erster Linie hierher, um sich darüber zu informieren, welche der ausgestellten Technologien für ihre Projekte taugen, nicht so sehr um Bestellungen zu verhandeln.
IEN D-A-CH: Wie beurteilen Sie die Innovationskraft Deutschlands in der Sensorik und Messtechnik?
Simmons: Die deutsche Innovationskraft ist gerade auf diesem Gebiet sehr hoch. Die Szene ist geprägt von einem ungewöhnlich hohen Innovationswillen, belegbar durch die sehr hohe Quote von Forschungs- und Entwicklungsausgaben zum Umsatz - von gut zehn Prozent. Der internationale Markterfolg belegt dies auch. Faszinierende Beispiele für diese Innovationskraft finden Sie in den öffentlich einsehbaren Einreichungen zum jährlichen AMA Innovationspreis auf den Webseiten unseres Verbands.
IEN D-A-CH: Wird 2015 ein gutes Jahr für ihre Branche und könnten Sie einen Ausblick darüber hinaus wagen?
Simmons: Ja, vorbehaltlich unerwarteter Katastrophen oder Finanzprobleme wird 2015 ein gutes Jahr. Der globale Bedarf an Sensorik und Messtechnik wird weiter ansteigen. Schließlich beruhen technische Innovationen derzeit meist auf dem kreativen Einsatz von mehr Sensorik. Unseren Umfragen zufolge investiert die Branche heftig, nach einem kräftigen Umsatzplus von acht Prozent im Vorjahr und einem erwarteten weiteren Umsatzwachstum in 2015 von plus fünf Prozent. Weiter in die Zukunft gerichtet prognostizieren wir ein Umsatzwachstum um jährlich 6,5 Prozent und eine Verdoppelung der Anzahl weltweit eingesetzter Sensoren ungefähr alle fünf Jahre.
Mit Herrn Simmons hat IEN Redakteur Thomas Bauer gesprochen