Die Auswahl und Auslegung von Wälzlagern gehören zum Tagesgeschäft von Konstrukteuren. Das gilt ebenso für die weitere Spezifikation der Ausstattungskomponenten. Doch gestaltet sich dies nicht immer einfach, denn es sind wichtige Parameter wie Passungen, Lagerluft, Montageart und Lagerart zu beachten. Findling Wälzlager hat die häufigsten Konstruktionsfehler im Rahmen des Qualitätsmanagements zusammengetragen, ausgewertet und gibt präventive Tipps für die Praxis. Demnach belegt die falsche Wahl des Schmiermittels Platz 1 im Fehler-Ranking. „Das ist wenig überraschend“, beurteilt Juri Braun, Konstrukteur und Anwendungsberater bei dem Karlsruher Wälzlagerspezialisten, den Spitzenreiter. „Es ist nahezu unmöglich, die unzähligen Produkte der diversen Hersteller richtig zu bewerten.“ Uncharakteristische Geräusche, unruhiger Lauf oder ungleichmäßiges Temperaturverhalten sind häufige Merkmale für falschen, zu wenig oder zu viel Schmierstoff. Bei außerplanmäßigen Betriebsbedingungen, zum Beispiel unerwartet hohen Temperaturen, kann das Schmiermittel verdampfen, der Verdichter setzt sich im Lager ab, der folgende Trockenlauf führt zum Defekt des Lagers. Der Teufel steckt im Detail Faktoren wie Betriebstemperaturen, Drehzahl, Druckverhältnisse, Umwelteinflüsse und Lagerbelastungen sollten bei der Auswahl berücksichtigt werden. Spezielle Fette mit Eigenschaften wie Geräuscharmut, Leichtlauf oder Langlebigkeit werden von verschiedenen Wälzlagerherstellern empfohlen. Es zählt aber nicht nur Qualität, sondern auch Quantität. In der Regel werden Wälzlager mit 30 Prozent Befüllung des Leerraums angeboten. Es gibt jedoch Varianten mit einer Minderbefettung von beispielsweise 20 Prozent. Gerade bei Aspekten wie Anlaufmoment, Energieeffizienz und Leichtlauf muss die Befettung individuell festgelegt werden. Der Tipp des Fachmanns: Schon bei der Konstruktion sollte man darauf achten, dass Feuchtigkeit oder Schmutz nicht an die Lager kommen kann. Auch bei Anwendungen, die theoretisch keine besonderen Bedingungen erfüllen müssen, empfiehlt es sich, auf Qualität zu setzen. „Als Faustregel gilt: Bei zu viel Fett sorgt der Haftgleiteffekt für einen höheren Verschleiß, bei zu wenig Fett sinkt die Fett-Lebensdauer“, weiß Braun. Eine Frage der Toleranz Als zweithäufigsten Fehler nennt Braun die falsche Wahl der Toleranzen im Zusammenspiel von Wellen- und Gehäusepassung sowie gewählter Lagerluft und führt ein Beispiel aus der Praxis an: Ein Miniatur-Rillenkugellager 624-ZZ wird mit einer geringeren Lagerluft M2 und einer Standard-Toleranzklasse P0 montiert. Die Welle hat aufgrund des Festsitzes eine Übermaßpassung von n6. Theoretisch kann bei dieser Zusammensetzung ein Übermaß von zirka 24 µm entstehen. Verrechnet man die Mindestlagerluft 3 µm mit den 24 µm Übermaß, ergibt sich eine Einfederung je Wälzkörper von etwa 10 µm. Bei einem Miniaturlager kann so ein Übermaß uncharakteristische Geräusche und ungleichmäßiges Temperaturverhalten zur Folge haben. Um dies zu verhindern, empfiehlt Findling Wälzlager anwendungsbezogen ein Miniaturlager mit M3 oder M4 Lagerluft mit einer entsprechenden Wellentoleranz von j6 oder k6. Schwergängigkeit, Geräuschentwicklung oder hoher Verschleiß sind oft Anzeichen für eine zu geringe oder zu große radiale Vorspannung im Lager. Beim Festlegen von Lager und Toleranzen sollten immer die maximalen Toleranzen beachtet werden. Erfahrene Konstrukteure wählen bei Anwendungen, die einen festen Lagersitz benötigen und bei denen ein leichter ungleichmäßiger Lauf akzeptabel ist, Lager mit erhöhter Lagerluft. In kritischen Fällen sollte der Lieferant Auskunft darüber geben, mit welchem Mittelwert und Varianz innerhalb einer Toleranzklasse und der Lagerluft im Standard gefertigt wird; Premium-Hersteller fertigen oft in herstellerspezifischen engeren Toleranzen, die bei einem Herstellerwechsel unerwartet Probleme bereiten können. Am falschen Platz gespart Die Einsparung bei einer günstigeren Dichtung ist im Vergleich zu dem höheren Risiko nicht erwähnenswert, aber dennoch gängige Praxis: Platz 3 der häufigsten Konstruktionsfehler kann zur Verschmutzung des Schmiermittels führen und Lagerlebensdauer verringern; schon leichte Verunreinigungen können eine Lebensdauerreduktion von bis zu 50 Prozent bewirken. Je besser die Dichtung, desto schmutzfreier das Fett und desto höher die Lebensdauer. Generell werden berührungslose und schleifende Dichtungen unterschieden. Erstere eignen sich für Anwendungen mit dem Fokus auf Energieeffizienz. ZZ-Spaltdichtungen mit Blechscheiben sind die günstigste Variante, aber auch die einfachste, um ein Lager abzudichten. Viele Anwender entscheiden sich aus wirtschaftlichen Gründen für diese Ausführung, ohne zu bedenken, dass sie einen Spalt von mehreren zehntel Millimetern zwischen dem Innenring und der Dichtung aufweist. Durch diesen können Schmutzpartikel mit einer Größe von mehr als 0,1 mm ins Lagerinnere gelangen. Die bessere, aber auch kostenintensivere Lösung bei einer berührungslosen Abdichtung ist die Labyrinthdichtung. Sie weist aufgrund ihres Aufbaus eine sehr hohe Beständigkeit gegen äußere Einflüsse auf und trägt zu einer geringeren Verlustleistung bei. Schleifende Dichtungen eignen sich bei Anwendungen mit mittlerem bis hohem Verschmutzungsrisiko. Üblicherweise kommt eine der verschiedenen RS-Varianten zum Einsatz, ein mit NBR umspritzter Blechkern, der mit mindestens einer Lippe am Innenring schleift. Zudem gibt es diese Ausführung mit mehreren Dichtlippen in einer Nut geführt (DDU, LLU). Sie bieten deutlich besseren Schutz vor Verschmutzung, aber auch vor Feuchtigkeit und Fettaustritt. Die Nut hat den Vorteil, dass sich das Schmiermittel darin festsetzt und zusätzlich mit abdichtet. Juri Braun empfiehlt sicherheitsbewussten Anwendern, bei denen Lebensdauer vor Verlustleistung steht, immer schleifende Dichtungen zu verwenden. Bei speziellen Applikationen mit besonderen äußeren Einwirkungen ist die Mehrlippendichtung in Nut geführt das Mittel der Wahl. Mit dem Lieferanten sollten Standard-Dichtungsformen und Alternativen erörtert und bei sehr rauen Betriebsbedingungen Lager zusätzlich geschützt werden, zum Beispiel mit einem Wellendichtring. Keine Chance für Korrosion Wälzlager werden überwiegend aus dem Stahl 100Cr6 hergestellt, der bei Kontakt mit Wasser und aggressiven Medien korrodiert. Bei erstem Rost ist es nur eine Frage der Zeit, bis das Lager einen ungleichmäßigen Lauf aufweist und schließlich blockiert. Bei vielen Lagerbauarten sind Ausführungen in Edelstahl verfügbar, z. B. bei Rillenkugellagern, Gehäuselagern, aber mittlerweile auch bei Kurvenrollen und anderen Nadellagern. Sie sind korrosionsbeständig, weisen aber eine zirka 30 Prozent geringere Tragzahl auf. Bei Gehäuselagern sind auch beschichtete Lagereinsätze lieferbar (z. B. brüniert), deren Oberflächenbehandlung ebenfalls Korrosion verhindert. Wichtig ist bei Umgebungsbedingungen mit Wasser und aggressiven Medien aber nicht nur das Lagermaterial, sondern auch die -komponenten Käfig, Schmierung und Dichtung. Auch bei korrosionsgeschützter Lagertechnik können Schmiermittel und die Dichtung die defektverursachenden Faktoren sein. Konstrukteure sollten bemüht sein, Umgebungen dieser Art durch gezielte Planung von vornherein zu vermeiden.