Seit 2016 haben mehr als 80 Partner unter Konsortialführung des Instituts für Produktionsmanagement, Technologien und Werkzeugmaschinen (PTW) der TU Darmstadt und dem Institut für Energieeffizienz in der Produktion (EEP) an der Universität Stuttgart im Kopernikus-Projekt „SynErgie“ erforscht, wie energieintensive Produktionsprozesse an eine schwankende Energieversorgung angepasst werden können. Will man verstärkt Wind- und Solarstrom nutzen, wie es die Energiewende vorsieht, besteht die große Herausforderung darin, Erzeugung und Verbrauch zeitlich in Einklang zu bringen. Hierzu können einerseits Batteriespeicher oder andere Speichertechnologien (Power-to-X-Technologien) zum Einsatz kommen. Eine andere Möglichkeit ist eine intelligente Flexibilisierung des Verbrauchs insbesondere bei energieintensiven Industrieprozessen. Diesem sogenannten Demand Side Management widmete sich das Projekt SynErgie, das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen des Kopernikus-Programms gefördert wurde.
Technische und sozio-ökonomische Evaluierung in Modellregion
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und die Industriepartner untersuchten im Rahmen der ersten Förderphase, mit welchen veränderten Grundsätzen Industrieprozesse in einem Energiesystem der Zukunft mit hohem Anteil fluktuierender Stromerzeugung gestaltet werden müssen. Geforscht wurde in den Branchen: Stahl- und Aluminiumherstellung, chemische Industrie, Graphitherstellung, Automobilindustrie, Lebensmittelindustrie, Papierindustrie, Glasindustrie, Maschinen- und Anlagenbau, Zementindustrie, Feuerfestindustrie. Zusätzlich wird das Flexibilisierungspotenzial sogenannter Querschnittstechnologien, wie beispielsweise in der Wärme-, Kälte oder Druckluftversorgung industrieller Energiesysteme, untersucht. Bei der Erforschung des Flexibilitätspotenzials dieser Technologien, die in fast allen fertigenden Unternehmen zu finden sind, sowie der Akquise des Kopernikus-Projekts SynErgie insgesamt, kommt der ETA-Fabrik der TU Darmstadt, mit ihrer vielfältigen energietechnischen Ausstattung eine herausragende Rolle zu. Der Analyseraum des Projekts deckt gut ein Drittel des Strombedarfs des verarbeitenden Gewerbes ab. Neben den technischen und wirtschaftlichen Aspekten integriert das Projekt rechtliche und sozialgesellschaftliche Perspektiven in seine Lösungen. Als Vorbereitung für eine effiziente Umsetzung der Forschungsergebnisse wurden die entwickelten Ansätze modellhaft in der „Energieflexiblen Region Augsburg“ demonstriert und anschließend technisch sowie sozio-ökonomisch evaluiert.
Einsparungspotentiale im Gigawatt-Bereich
Im Rahmen des SynErgie-Projekts konnte eine kurzfristig flexibilisierbare Leistung von etwa 4 Gigawatt für den Lastverzicht (das kurzfristige Absenken der elektrischen Leistungsaufnahme) und 2,7 Gigawatt bei Lasterhöhung (die kurzfristige Steigerung der elektrischen Leistungsaufnahme) identifiziert werden. Zum Vergleich: Dies entspricht der maximalen Leistung, welche von ca. 2,8 beziehungsweise 1,8 Atomkraftwerken zur Verfügung gestellt werden kann. Professor Eberhard Abele, Leiter des PTW sowie Initiator und Sprecher des Projekts SynErgie bilanziert: „SynErgie unterstützt die kosteneffiziente Realisierung der Energiewende auf Basis erneuerbarer Energien und befähigt damit Deutschland, sich zum internationalen Leitanbieter für energieflexible Industrieprozesse zu entwickeln.“
Mit den Erkenntnissen aus der ersten Förderphase des Kopernikus-Projekts SynErgie konnten offensichtliche Potenziale für energieflexible Prozesse analysiert und die technischen Einheiten flexibilisiert werden. Zudem konnte eine Bewertung der in der Industrie eingesetzten Technologien hinsichtlich ihrer wirtschaftlichen Flexibilisierbarkeit vorgenommen werden. Aufbauend auf diesen Erkenntnissen wird in der 2. Förderphase des Projekts der Fokus auf der Weitererforschung der vielversprechendsten Technologien sowie der prototypischen Marktanbindung industrieller Energieflexibilität liegen. Die Konsortialführung wird hierfür an das Institut für Energieeffizienz in der Produktion (EEP) an der Universität Stuttgart, unter der Leitung von Professor Alexander Sauer übergeben.