TR: Herr Johnstone, für all diejenigen, die mit dem komplexen Organigramm von General Electric nicht so vertraut sind: Könnten Sie bitte die Unternehmensstruktur kurz umreißen, und GE Energy - Industrial Solutions in diesen Zusammenhang einordnen?
Johnstone: Innerhalb von GE sind wir Teil von GE Energy, das, mit über 40 Milliarden US Dollar Umsatz im letzten Jahr, wiederum das größte Geschäftsfeld innerhalb des GE Konzerns ist. Die übrigen Geschäftsfelder sind Health Care, Aviation, Transportation, Home & Business sowie Capital. GE Energy beschäftigt sich mit zahlreichen Dingen, zum Beispiel der Erkundung von Kraftstoffen, wie Öl oder Gas, oder Turbinen jeglicher Größenordnung. Wir bieten Lösungen hinsichtlich Energieübertragung und -verteilung und bedienen die gesamte Nachfrageseite: von Industrie-Kunden, über kommerzielle genutzte Gebäude, bis hin zu Wohngebäuden. Unsere Rolle innerhalb dieser Struktur ist, in Ermangelung eines besseren Ausdrucks, die Elektrifizierungsseite: der Schutz und die Steuerung von Energieverteilung und -verbrauch. Die Sparte Industrial Solutions macht einen Umsatz von 4 Milliarden Dollar innerhalb des bereits erwähnten 40 Milliarden Dollar Umsatzes von GE Energy.
TR: 'Smart Efficiency' ist in diesem Jahr eines der großen Themen, das unter anderem auch bei der Hannover Messe einen großen Raum eingenommen hat. Welche Lösungen halten Sie in Zusammenhang mit diesem Thema in Ihrem Portfolio bereit?
Johnstone: Wenn wir uns die großen Herausforderungen anschauen, vor denen unsere Kunden stehen, so ist dies in erster Linie der steigende Energiebedarf. Ganz gleich welche Vorhersagen Sie bemühen, so wird für die kommenden 15 bis 20 Jahre von einer Verdopplung des globalen Energiebedarfs ausgegangen, woran Europa einen großen Anteil hat. Hier in Europa haben wir es häufig mit einer Infrastruktur zu tun, die rund 100 Jahre alt ist. Da stellt sich für uns einerseits die Frage: Wie optimieren wir diese Strukturen, und wie können wir gleichzeitig die neuen regenerativen Energien in das bestehende Netz einbinden? Andererseits müssen wir diese Aufgabe vor dem Hintergrund von im besten Falle stagnierenden, im schlimmsten Fall aber schrumpfenden Etats bewältigen. Es ist wichtig, dass wir uns den Problemen unserer Kunden widmen. Dabei ist es unsere Hauptaufgabe, unsere Lösungen so auszulegen, dass diese 'smarter', sauberer und effizienter sind, um die Probleme unserer Kunden zu lösen. Und genau diesem Motto folgen unsere aktuellen Produkte: 'smarter', sauberer und effizienter.
TR: Verzeichnen Sie nach den Ereignissen in Japan ein größeres Interesse an Ihren Produkten rund um erneuerbare Energien?
Johnstone: Wir haben deutlich mehr in Lösungen im Rahmen der erneuerbaren Energien investiert - sowohl in E-Mobilität, als auch in Photovoltaik und Windenergie -, denn der Trend hin zu diesen Energien ist ja unverkennbar. Was die Ereignisse in Japan anbelangt: Ich denke, dass durchaus eine kurzfristige emotionale Reaktion zu verzeichnen ist, bin mir allerdings nicht sicher, ob sie das Thema 'Energiemix' wirklich vorantrieben wird.
TR: Nehmen wir Ihre Fahrzeug-Ladestation namens WattStation als ein Beispiel für Ihre neuen Produkte: Wie lange wird es Ihrer Meinung noch dauern, bis sich Elektrofahrzeuge als Massentransportmittel etabliert haben?
Johnstone: So wie wir es sehen - und hierbei wird unsere Sichtweise wiederum von den Herausforderungen unserer Kunden auf dem industriellen, gewerblichen aber auch privaten Sektor geprägt -, gibt es einen Trend hin zu sauberen Energien. Hier geht es vor allem um eine Reduzierung der Emissionen. Mit der WattStation haben wir ein Produkt entwickelt, das eine Führungsrolle in dieser Industrie beansprucht, und wir haben um diese Lösung eine entsprechende Infrastruktur geschaffen, die Fähigkeit der Zwei-Wege-Kommunikation, der Schutz des Fahrzeugs, die damit verbundenen Dienstleistungen. Auf diese Weise sehen unsere Kunden ganz klar die Vorteile, die sich durch diese Lösung bieten. Was den Wachstum dieses Marktes anbelangt, so denken wir, dass dieses zu einem bestimmten Zeitpunkt rasant sein wird, aber es wird unterschiedliche Stufen geben: Die jüngsten Studien zu diesem Thema besagen, dass des 2015/2016 weltweit rund drei Millionen Elektrofahrzeuge auf den Straßen geben wird, und davon entfallen auf Europa eine erkleckliche Anzahl. Dies würde einen Bedarf an 2 bis 2,2 Ladestationen pro Fahrzeug bedeuten, allerdings auch eine entsprechende Infrastruktur. Die Zeit wird zeigen, ob diese Zahlen belastbar sind oder nicht, aber der Trend geht ganz klar in diese Richtung.
TR: Gibt es irgendeine Art von globaler oder europäischer Zusammenarbeit, zum Beispiel von Automobilherstellern und solchen Unternehmen, die für eine entsprechende Infrastruktur sorgen?
Johnstone: Auf globaler Ebene ist mir eine solche Zusammenarbeit nicht bekannt. Ich kann nur für unser Unternehmen sprechen, und da kann ich sagen, dass wir mit zahlreichen Beteiligten sprechen, sowohl auf globaler, als auch auf europäischer Ebene. Ich denke, für Kunden ist es entscheidend, dass eine solche Zusammenarbeit stattfindet. Gleichzeitig müssen die Innovationen aber unabhängig bei den einzelnen Anbietern stattfinden. Wenn wir GE als Beispiel nehmen, so sorgen wir nicht nur für eine entsprechende, aus unserem Geschäftsbereich entstammende Infrastruktur. Unsere Kollegen von GE Fleet betreiben einen weltweiten Fuhrparkservice sowohl für uns, als auch für unsere Geschäftspartner. Es gibt also bei uns einen regen Austausch, wenn es darum geht, unsere Fahrzeugflotte immer mehr auf Elektrofahrzeuge umzustellen. Ende vergangenen Jahres hat unser CEO Jeffrey Immelt angekündigt, dass wir in den nächsten Jahren 25.000 Elektrofahrzeuge kaufen werden. Dies finanzieren wir wiederum mit unserer Geschäftseinheit GE Finance. Kurzum: Es gibt jede Menge Zusammenarbeit auf diesem Gebiet.
TR: Das Aufladen eines Fahrzeugs dauert gegenwärtig vier bis acht Stunden. Bedeutet dies, dass sich jeder Besitzer eines Elektrofahrzeugs zu Hause eine WattStation hinstellen muss?
Johnstone: Das kommt ganz auf den individuellen Gebrauch, die Fahrzeit, die Batterietechnologie und die Reichweite der Elektrofahrzeuge an. Zurzeit arbeiten wir an einer Technologie und Infrastruktur, die diese Ladezeit beschleunigen wird, möglicherweise von heute bis zu acht Stunden auf weniger als eine Stunde. Wir sind ziemlich sicher, dass wir dieses Ziel in absehbarer Zeit erreichen werden. Also wird der Besitz einer solchen Ladestation gar nicht so notwendig sein, wie dies heute erscheinen mag, sondern es wird mehr eine Option sein, über die jeder individuell entscheiden kann.
TR: Bei der Entwicklung dieses Produktes haben Sie den Fokus nicht nur auf die Funktionalität, sondern auch auf das Design gelegt...
Johnstone: Ja, bei unserer Entwicklung hin zum Innovations- und Technologieführer, ist Form und Aussehen eines Produktes wie der WattStation - wenn man dies vor dem Hintergrund der herausgehobenen Präsenz im öffentlichen Raum, einer Parkgarage oder einem Eigenheim sieht -, durchaus von großer Bedeutung. Also haben wir hier eine Menge Zeit und Geld investiert und einen der besten Industriedesigner gefunden, der diese Voraussetzungen erfüllen konnte. Wir denken, dass dies ein entscheidender Faktor für den Erfolg des Produktes ist, und das unterscheidet die WattStation von anderen Produkten in unserem Portfolio, die nicht eine solche öffentliche Sichtbarkeit haben.
TR: Mit der Ökodesign-Direktive 2009/125/EC und ihrer Durchführungsverordnung 2009/640/EC sind Hersteller elektrischer Antriebstechnik dazu verpflichtet, für Anwendungen von 0,75kW bis 375kW Motoren mit der minimalen Effizienzklasse IE2 anzubieten. Wie sehen Ihre Lösungen in diesem Bereich aus?
Johnstone: Der Ultra XT, unsere im Frühjahr vorgestellte Motorlösung, erfüllt diese Anforderungen. Es ist ein sehr wettbewerbsfähiger, effizienter Niederspannungsmotor. Bei bestimmten Anwendungen spart dieser Energie in Größenordnungen von zwei Haushalten pro Jahr. Wir sind sehr zuversichtlich, dass sich diese Lösung am Markt durchsetzen wird.
TR: Ist 'Energieeffizienz' Ihrer Erfahrung nach eher ein vorrangiges europäisches Thema, oder ist es ebenso akut in Afrika, dem Nahen Osten, Asien oder dem Heimatmarkt von GE, den Vereinigten Staaten?
Johnstone: Wir sehen es als einen globalen Trend und eine weltweite Notwendigkeit. Natürlich gibt es regionale Unterschiede, aber ich war erst vor vier oder fünf Wochen in Südafrika, und die größten Probleme, die die dortigen Bergbauunternehmen umtreibt, sind die Energiekosten und Beschäftigung. Hinsichtlich der Energiekosten ist natürlich vorrangig die Antriebstechnik ein Thema. Sicherlich ist es auch auf dem US-Markt, für den viele unserer Produkte entwickelt wurden, ein drängendes Thema. Mit den steigenden Energiekosten steht es bei jedem Unternehmen der Schwerindustrie auf der Tagesordnung.
TR: Nach der Katastrophe in Japan: Erwarten Sie nun eine raschere Verbreitung von Wind- oder Solarkraftwerken sowie der dazugehörigen Infrastruktur?
Johnstone: Wir verzeichnen ohnehin gerade signifikante globale Zuwachsraten im Windkraft- und Solarmarkt. Kürzlich las ich, dass im vergangenen Jahr neue Solaranlagen mit einer Kapazität von 17 Gigawatt installiert wurden. Das ist wirklich eine beachtliche Größenordnung. Aber es ist nicht ausschließlich der Aspekt der erneuerbaren Energien. Man kann ebenso viel Energie einsparen, indem man auf sauberere, effizientere Lösungen zurückgreift, also die bereits vorhandene Energie wirtschaftlicher einsetzt. In der Solar- und Windenergie sehen wir große Chancen. Sie haben enorme Zuwachsraten, nicht zuletzt auch aufgrund der hohen Subventionen. Wir können diese sicheren, sauberen Lösungen für Windkraft- und Photovoltaik-Anlagen liefern, auch für eine effizientere Gebäudeautomatisierung. Hierin sehe ich einen großen Vorteil, den GE seinen Kunden bieten kann.
TR: Apropos Gebäudeautomatisierung: Mit HabiTEQ bieten sie hier ein Produkt-Portfolio, das dem Megathema 'Energieeffizienz' Rechnung trägt. Im Bereich der öffentlichen Gebäude wie Krankenhäuser oder großer Bürogebäude ist dies bereits ein heißes Thema. Für den privaten Häuslebauer ist es noch einigermaßen futuristisch. Wird sich dies in den nächsten zwei bis drei Jahren ändern?
Johnstone: HabiTEQ ist ein perfektes Beispiel für ein 'smartes' Produkt. Wir haben es in enger Zusammenarbeit mit unseren Kunden entwickelt, die Lösungen für den Schutz und die Energieverteilung in privaten und gewerblichen Gebäuden anbieten. Die Notwendigkeit, ein solches Energie-Effizienzpaket anzubieten, ist teilweise durch Gesetzgebung, teilweise aber auch durch Sachzwänge bedingt - und zwar sowohl im Bereich Gebäudesanierung, als auch im Neubau. Also haben wir vor drei oder vier Jahren damit begonnen, massiv in diesen Sektor zu investieren, und heute können wir mit HabiTEQ eine ganze Palette an Lösungen für die Gebäudeautomatisierung anbieten. Wir sehen dies als einen Trend. Einige Schätzungen gehen davon aus, dass 40 Prozent der Energie bei gewerblichen Bauten verbraucht wird. Bei Wohngebäuden sehen wir den Vorteil unserer Lösungen in der Tatsache, dass sie schnell umrüstbar sind, und zwar bis zu dem Grade, dass man dafür keinen speziellen Sachverstand bei der Installation benötigt. Es gibt sogar Klempner, die unsere Lösungen verbauen, es benötigt also keine elektrotechnische Expertise. Die Produkte sind benutzerfreundlich, 'wireless' und einfach nachzurüsten. Da vor allem in Westeuropa der Neubau von Gebäuden gegenwärtig am Boden liegt, war der Aspekt des unproblematischen Einsatzes bei der Sanierung des Gebäudebestands sehr wichtig.
TR: Nochmals nachgefragt: Sehen Sie hinsichtlich des Themas Gebäudeautomatisierung regionale Unterschiede?
Johnstone: Sicherlich nimmt Europa bei diesem Thema eine Vorreiterrolle ein. Hinsichtlich der Entwicklung unseres Produktportfolios sind wir sicherlich überall so stark aufgestellt, dass wir die jeweiligen regionalen Anforderungen bedienen können. Natürlich liegt unser Fokus auf Europa, dem Nahen Osten und Afrika. Wir sehen dort sowohl bei der gewerblichen als auch bei der Wohngebäude-Automatisierung einen vielversprechenden Markt. Ich denke, wichtig dabei ist es stets, den Vorteil für unsere Kunden im Blick zu haben, ganz egal ob es der Endanwender in der Industrie oder der Maschinenbauer ist. Wir bieten eine Rundum-Systemlösung, von der Energieerzeugung, über die Schaltanlage, bis zur Energieübertragung und -verteilung. Mit unseren 'smarten', sauberen und sicheren Lösungen bieten wir Kunden mehr mit weniger Budget und erfüllen trotzdem die Anforderungen an eine erhöhte Energieeffizienz.
TR: Herr Johnstone, herzlichen Dank für das Interview.