In der Automatisierung ist ein komplexes Zusammenspiel vieler Achsen gefragt, etwa bei Verpackungsmaschinen, Sortieranlagen oder komplexen Fertigungssystemen. Dabei steigen Verkabelungsaufwand und die erforderliche Rechenleistung der SPS drastisch. Kleine Schrittmotoren mit Eigenintelligenz bringen hier Vorteile, wie ein Beispiel aus der Textilindustrie zeigt.
Eine Wirkmaschine arbeitet mit bis zu 96 unabhängigen Achsen für die Fadenzuführung. Als präziser Aktor für die feinfühlige Einstellung des Fadenzuges über die Fadenrolle dienen hier Schrittmotoren mit integriertem Controller und Ansteuerung per Busanschluss. Sie erlauben mit der Intelligenz vor Ort schnelle Reaktion auf veränderte Fadenzugkraftbedingungen.
Bei modernen Textilmaschinen zählt höchste Produktionsleistung bei einfacher Bedienung und dies in einem skalierbaren System. Die Karl Mayer Textilmaschinenfabrik aus Obertshausen, ein Spezialist für Textilmaschinen, entwickelt nach diesen Anforderungen Wirkmaschinen. Die Entwickler setzen dabei auf Schrittmotoren, um die Fadenspannung konstant zu halten und höhere Geschwindigkeiten zu realisieren. Als Partner für die Antriebstechnik begleiten Schrittmotorexperten von JVL Entwicklung und Bau. Das Ergebnis ist eine neue, feinfühlige Kontrolle der Fadenspannung. Gleichzeitig ließen sich enorme Fortschritte bei der Ansteuerung der vielen verbauten Achsen realisieren - auch bei der Umrüstung der Anlage im Betrieb.
Neben hohen Produktionsgeschwindigkeiten zählt im Anlagenbau die schnelle Reaktion auf individuelle Kundenwünsche. Textilmaschinen müssen heute innerhalb kürzester Zeit auf andere Muster umrüstbar sein. Der Kunde fordert deswegen möglichst einfache, skalierbare Systeme, die sich individuell einrichten lassen. Eine Wirkmaschine stellt mit einem System aus Nadeln und Hilfselementen Maschenware her. Alle Nadeln bewegen sich dazu gemeinsam und bilden aus einem oder mehreren Fäden eine Reihe Maschen. Sie ist mit einer automatischen Fadenspannungskontrolle per Schrittmotor ausgestattet. Die Maschine kann zwischen 2 und 96 Musterfäden verarbeiten, die im sogenannten Liberty-Gestell jeweils auf einer eigenen Fadenrolle aufgespult sind. Da alle Achsen auf ihre Fadenspannung kontrolliert werden müssen, ist jede einzelne mit einem Schrittmotor anzusteuern.
Bei konventionellen Anlagen muss für neue Muster oder geänderte Fadenspannung die jeweilige Fadenbremse im laufenden Betrieb exakt einjustiert werden. Das erfordert viel Geschick, Zeit und Material. Die Obertshausener Spezialisten ersetzen daher die Bremse durch Schrittmotoren. Hier können die einmal vorgegebenen Daten schon vor dem Start schnell per Bus an den jeweiligen Motor ausgegeben werden. Die Anlage arbeitet sofort mit den richtigen Werten! Wollte man bis zu 96 Achsen allein über die SPS der Wirkmaschine ansteuern, wäre das Volumen für die Datenübertragung von der SPS zu den Aktoren, beziehungsweise die Rechenbelastung in der SPS viel zu hoch und zusätzliche Prozessoren notwendig. Die Lösung: Mit dezentraler Intelligenz ausgerüstete JVL-Antriebe. Die integrierte Elektronik übernimmt nun die eigentliche Rechenarbeit für den Schrittmotorbetrieb, die SPS gibt nur noch das jeweilige Musterprogramm vor. Um eine der Maschinengeschwindigkeit angemessene Reaktionszeit zu erreichen, verarbeitet jede Antriebselektronik zusätzlich noch die Daten eines lokalen Fadenzugkraftsensors. Das Ergebnis: Kürzeste Regelzeiten für jede einzelne Achse.
Das neue Konzept verbessert aber nicht nur die Flexibilität und Leistungsfähigkeit der Wirkmaschine, sondern spart auch Platz im Schaltschrank durch die Sensorauswertung vor Ort und die Informationsübertragung per CANopen-Bus zur SPS. Statt großer Kabelstränge werden nur noch die 24-VDC-Stromversorgung und die Busleitung als Anbindung des Liberty-Gestells zur SPS benötigt. Tobias Kieser von Karl Mayer dazu: "Der vor Ort am Motor angeschlossene Sensor zur Fadenspannungskontrolle sorgt bei den vielen Achsen, die überwacht werden müssen, zusätzlich für geringsten Verkabelungsaufwand. Die SPS wird so durch die Motor-Controller noch einmal deutlich entlastet. Sie benötigt weniger Leistungsreserven bei besserer Performance." Dies sei ein nicht unerheblicher Zeit- und Kostenvorteil bei Montage und Inbetriebnahme, meint Kieser. Die aktive Regelung per Schrittmotor erlaubt zudem eine gegenüber der herkömmlichen Bremse enorm verbesserte Kontrolle über die Fadenspulen und damit der Spannung im Faden. Bremsen können naturgemäß nur den Faden verlangsamen, indem sie den Zug erhöhen. Schrittmotoren können dagegen feinfühlig bremsen und beschleunigen. Das macht sich etwa bei Mustern für flexible Gewirke bemerkbar. Auch können die unterschiedlichen Fadenmaterialien einmal eingestellt mit der immer gleichen Einstellung aus dem SPS-Speicher verarbeitet werden. Das erhöht die Flexibilität der Maschine und senkt teure Rüstzeiten. Die in der beschriebenen Maschine verbauten 2-phasigen QuickStep Schrittmotoren mit integrierter Ansteuerelektronik vereinen Motor und Controller auf engstem Raum.
Durch die Intelligenz vor Ort kann der Antrieb in fünf verschiedenen Betriebsmodi arbeiten: In der Betriebsart Puls/Richtung arbeitet der Motor mit einer Auflösung von 200, 400, 800, 1000 oder 1600 Pulsen/Umdrehung, bei der Positionier- oder Drehzahlsteuerung wird per Encoder mit 1024 Pulsen/Umdrehung erfasst und eine eventuelle Blockade gemeldet. Durch Dualversorgung bleiben bei einem Notstopp aktuelle Position und Parameter erhalten. Der Positionier- und Geschwindigkeitsmodus arbeitet mit Befehlen, die über die Schnittstelle empfangen werden. Im Getriebe-Modus verhält sich der QuickStep wie ein Schrittmotor: mit jedem Spannungsimpuls am Takteingang bewegt sich der Motor um einen Schritt weiter. Eine Funktion "elektronisches Getriebe" mit eingegebenem Übersetzungsverhältnis kann die extern vorgegebene Pulsfrequenz variieren. Im Register-Modus wie im Falle der Wirkmaschine sichert der Motor in seinem Speicher die vorgegebenen Positionen, Geschwindigkeiten, Drehmoment, Beschleunigungswerte der aktuellen Systemvorgabe. Die Register können mit einem einzigen Bit über die Schnittstelle ausgewählt und ausgeführt werden. Der Motor übernimmt danach selbsttätig die Positioniersequenz.
Ein einfaches Setup und schnelle Programmierung gewährleistet die Mac Talk Software. Mit ihr lassen sich über 95 Prozent eines typischen Programms mittels einfacher Symbole erstellen. So kann unter anderem die Betriebsart gewählt, wichtige Einstellungen wie Drehzahl, Motorstrom oder Referenzfahrt geändert beziehungsweise eine Echtzeitüberwachung wichtiger Motorparameter eingerichtet werden. Alle Daten dazu werden auf der PC-Festplatte gespeichert und können bei Bedarf wieder hergestellt werden, falls die permanente Speicherung im Motor ausfallen sollte. Die Motorfirmware wie auch die MacTalk Software können über jederzeit via Internet aktualisiert werden. Für Anlagen, die ein komplexes Zusammenspiel vieler Achsen erfordern, bietet sich die Kombination aus Schrittmotor mit integriertem Controller an. Diese spart sowohl Rechenleistung in der SPS wie auch kostenträchtige Verkabelung. Dies zahlt sich letztlich im Betrieb bei Wartung und Ersatz aus. Die "total cost of ownership" einer solchen Anlage ist deutlich niedriger.