TR: Herr Schroff, Sie sind Leiter der Elektronik und Systemtechnik bei maxon motor. Welche Produkte fallen in Ihren Zuständigkeitsbereich?
Schroff: Sämtliche Antriebselektronik für maxon Motoren wird in meinem Bereich entwickelt. Im Einzelnen sind dies Servoverstärker, also dynamische Drehzahlregler für DC- und EC-Motoren, Positioniersteuerungen in Master- und Slave-Konfiguration für CAN-Netzwerke und neu jetzt auch für EtherCAT-Netzwerke.
TR: Warum haben Sie sich bei dem Neuprodukt für EtherCAT entschieden?
Schroff: Dies ist immer eine spannende Frage. Als wir uns über Ethernet-Echtzeitbusse schlau gemacht haben, stießen wir auf etwa 30 verschiedene Varianten. Dabei fielen zunächst einmal die proprietären Bus-Systeme weg, da wir ein offenes System haben wollten. Außerdem wollten wir auf einen Bus zurückgreifen, der nicht nur in Europa, sondern auch in Asien und Amerika eine gewisse Verbreitung hat, da auch unsere Kundschaft weltweit ist. Schließlich erschien uns speziell für den Bereich Antriebstechnik der EtherCAT-Bus als sehr geeignet. So ist dieses System den Amerikanern durchaus bekannt, und die Asiaten hatten zumindest nichts dagegen. Bei alldem ist uns natürlich klar, dass wir auf dem Gebiet flexibel sein müssen, um unseren Kunden das anbieten zu können, was sie benötigen. Daher können und werden wir, wenn dies vom Markt eingefordert wird, unsere Produktpalette diesbezüglich auch erweitern. Um auf Ihre Ursprungsfrage nach den in meinem Bereich angesiedelten Produkten zurückzukommen, haben wir dort auf der einen Seite unsere Katalogprodukte, auf der anderen Seite sind dies kundenspezifische Versionen.
TR: Wie verteilen diese sich im Hause maxon bezogen auf den Umsatz?
Schroff: Bezogen auf den Umsatz ist die Verteilung 50:50, hinsichtlich der Stückzahl überwiegen die kundenspezifischen Produkte leicht. Allerdings sind diese in der Regel kostenoptimiert.
TR: Wie darf man sich die Entwicklung einer Elektronik-Komponente bei maxon vorstellen? Kommen die Entwickler eines Motors mit einem bestimmten Anforderungskatalog auf Sie zu, d.h. wird zum Beispiel eine Steuerungselektronik im Nachgang zu der Entwicklung eines Motors entworfen, oder geschieht dies eher parallel bzw. Hand in Hand?
Schroff: Die Elektronikentwicklung ist zunächst relativ unabhängig. Wir bedienen Leistungsbereiche für maxon motoren von 0 bis einigen hundert Watt, und solange wir diese abdecken, liegen wir immer im richtigen 'Range'. Das bedeutet, unser Katalogprogramm ist darauf schon abgestimmt, die Elektronikentwicklung daher relativ unabhängig. Ganz anders ist dies bei kundenspezifischen Produkten oder Spezialmotoren. Bei diesen läuft die Entwicklung von Motor und Elektronik üblicherweise parallel.
TR: Wo kommen generell die Anregungen für neue Lösungen aus Ihrem Hause her: Werden diese vorwiegend vom Markt an Sie herangetragen, oder ist es in der Regel eher so, dass mögliche Marktanforderungen proaktiv bei maxon erkannt und dementsprechende Lösungen entwickelt werden?
Schroff: Beides trifft eigentlich zu. Es gibt einige Dinge, die kommen vom Kunden, oder auch von unserem Vertrieb. Der andere Teil wird in unserer Entwicklungsabteilung erdacht, die wiederum einen genauen Blick auf die Technologien der jeweiligen zu bedienenden Märkte oder auch auf Neuentwicklungen bei unseren Zulieferern hat. Kommt beispielsweise ein neuer Prozessor auf den Markt, der unsere Produkte weiterbringen kann, so wird dieser natürlich eingesetzt. Allgemein kann man sagen, dass die Kommunikationstechnologie ein Innovationstreiber ist.
TR: Auf welche Entwicklung der jüngsten Zeit sind Sie besonders stolz?
Schroff: Der neue Servo-Controller ESCON ist eine Entwicklung, auf die wir besonders stolz sind. Es ist das erste Produkt in einer ganzen Produktreihe, die jetzt, nachdem wir eine gewisse Vorentwicklung abgeschlossen haben, zügig auf den Markt kommt. Der Servo-Controller ist aufgrund seiner schnellen Regler herausragend in der Performance, eine sehr dynamische Regelung ist somit möglich. Außerdem gehört zu den Produkteigenschaften die einfache Bedienbarkeit, das heißt die Inbetriebnahme erfolgt über ein grafisches User Interface, durch das der Anwender anschaulich geführt wird. Die Menüs und Online-Hilfe zu diesem Produkt gibt es übrigens dynamisch in sieben Sprachen. Die Bedienerfreundlichkeit stand also ganz klar im Mittelpunkt der Entwicklung. Daher auch die Abkürzung des Produkts: ESCON = Easy-to-use Servo Controller.
TR: Ausgehend von den Anwendungsbereichen für Ihre hochpräzise Antriebstechnik unterteilen Sie grob in Medizintechnik, Robotik und Industrieautomation. Welcher Bereich stellt die größten Anforderungen an die Elektronik?
Schroff: Jeder Bereich hat so seine Spezialitäten. Dabei haben wir bei der Industrieautomation die volle Bandbreite aller erdenklichen Anforderungen. Bei der Robotik ist stets die Performance gefragt. Dynamik ist hierbei das A und O. In der Medizintechnik gibt es besondere Anforderungen an die Dokumentation, Logistik und Verifikation. Die Rückverfolgbarkeit ist in der Medizintechnik essenziell. Hierbei ist vor allem die ISO 13485 zu nennen.
TR: Ein großes Thema im Bereich der elektrischen Antriebstechnik ist heute die Energieeffizienz, da hier in Zeiten hoher Energiekosten erhebliches Einsparpotenzial für produzierende Unternehmen vorhanden ist. Die Elektronik spielt bei der Energieoptimierung, also bei der Steuerung und Regelung der Antriebe, eine entscheidende Rolle. Ist die Energieeffizienz im Bereich der hochpräzisen Antriebe eigentlich ähnlich relevant wie bei den "größeren Brüdern", oder fällt sie weniger ins Gewicht?
Schroff: Sie ist unter einem etwas anderen Blickwinkel relevant. maxon Motoren gehören ja per se zu den Effizientesten auf dem Markt: Mit einem Wirkungsgrad von über 90 Prozent fallen wir unter die Kategorie "Super Green". In der Elektronik versuchen wir einen guten Mix hinzubekommen zwischen qualitativ hochstehenden Bauteilen, die eine große Leistung bieten und dabei wenig Wärme erzeugen. Sicherlich fällt in absoluten Zahlen der Energieverbrauch eines Kleinstmotors nicht so sehr ins Gewicht wie bei einem 100 Kilowatt-Antrieb, wo durch eine gescheite Drehzahlregelung für eine Pumpe ein ungeheures Einsparpotenzial erzielt werden kann. Aber auch bei Kleinstmotoren können auch in absoluten Zahlen erhebliche Verbrauchseinsparungen über die grosse Stückzahl der Antriebe erzielt werden. Wenn beispielsweise für eine Warmwasser Heizungspumpe statt einer ineffizienten, dazu vielleicht noch im Bypass betriebenen konventionellen Motors von etwa 100W, durch einen drehzahlgeregelten effizienten maxon motor vom 20W ersetzt, macht das bei Millionen von Gebäudeheizungen schon die Leistung eines Kraftwerks aus. Wo es einen weiteren entscheidenden Verbrauchsvorteil geben kann, ist bei Batterie betriebenen Antrieben. Wenn man dort eine gute Kombination von Motor und Elektronik verwendet, kann man die Laufzeit einer Batterie erheblich verlängern. Gerade in der Medizintechnik, wo Energieeffizienz im Milliwattbereich ins Gewicht fällt, ist dies ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal.
TR: Wo sehen Sie in naher Zukunft die größten Herausforderungen für die Elektronik und Systemtechnik im Hinblick auf die elektrische Antriebstechnik?
Schroff: Neben der Performance wird vor allem die einfache Bedienbarkeit immer mehr im Vordergrund stehen. Das bedeutet, dass selbst hochkomplexe Technik für den Anwender leicht installierbar und handhabbar sein muss. Für uns als Antriebshersteller bedeutet dies, dass wir unseren Kunden wichtige Hilfestellungen geben müssen, vor allem die immer komplexer werdende Funktionalität und die dahinter stehende Software im Griff zu behalten, und dies trotzdem zu einem vernünftigen Preis.
TR: Herr Schroff, wir bedanken uns für dieses Gespräch.