Einige Verwirrungen rund um SiC beziehen sich auf die Anwendungen, in denen es zum Einsatz kommt. So glauben einige Entwickler, dass SiC-MOSFETs als Ersatz für IGBTs dienen, während GaN-Bauelemente (Galliumnitrid) Silizium-MOSFETs ersetzen sollen. SiC-MOSFETs mit einer Nennspannung von 650 V bieten jedoch eine hervorragende Leistungsfähigkeit mit einer wettbewerbsfähigen Güte RDS(ON)*Qg und einer minimalen Umkehr-Erholungsladung Qrr. Dies macht SiC zu einer hervorragenden Alternative zu Silizium-MOSFETs in hart schaltenden Anwendungen wie der Totem-Pole-Leistungsfaktorkorrektur (TPPFC) oder einem synchronen Boost-/Aufwärtswandler.
Einige Entwickler sind auch der Meinung, dass sich SiC für Anwendungen mit höheren Frequenzen nicht gut eignet und dass für schnelle Schaltvorgänge stattdessen GaN verwendet werden sollte. Jüngste technische Fortschritte haben jedoch zu einer verringerten SiC-Chipfläche geführt, was die Eignung für den HF-/Hochfrequenzbetrieb (>100 kHz) weiter verbessert. Deshalb kommen SiC-Bauelemente jetzt erfolgreich in Anwendungen wie TPPFC bei 100 kHz und Soft-Switching LLC bei Frequenzen zwischen 200 und 300 kHz zum Einsatz. Darüber hinaus werden neue Techniken wie Trench- und Kaskoden-SiC-MOSFETs die HF-Leistungsfähigkeit noch weiter verbessern.
Andere Entwickler schließlich sind der Meinung, dass SiC eine Nischentechnik ist, die auf ihrem Erfolg in Traktionswechselrichtern für Elektrofahrzeuge (EVs) beruht. Der Bedarf an höherer Leistungsdichte und effizientem Betrieb in fast allen Bereichen bedeutet jedoch, dass die Vorteile von SiC auch einer Reihe weniger komplexer Designs zugutekommen, z. B. Onboard-Ladegeräte (OBC) für EVs, Solarmodule und erneuerbare Energien sowie Cloud Computing.
Auswahl der Bauelemente und Betrieb
Viele Entwickler verwenden eine negative Abschalt-Gate-Spannung, um zu verhindern, dass SiC-Bauelemente aufgrund von Schalttransienten prellen oder sich versehentlich wieder einschalten. Dies ist jedoch keine strikte Anforderung. Viele erfolgreiche SiC-Designs weisen keine negative Gate-Spannung auf. Wie bei allen Designs sollten jedoch bewährte Praktiken befolgt werden, z. B. ein straffes Layout, das parasitäre Effekte minimiert. Außerdem sollte der Gate-Treiber in der Lage sein, ausreichend Strom zu liefern, um das Bauelement sicher „aus“ zu halten. Ein Gate-Treiber mit Sperrschichtisolierung kann in einer begrenzten Zahl von Anwendungen, z. B. TPPFC, akzeptabel sein.
Zu beachten ist, dass galvanisch isolierte Gate-Treiber eine höhere Störfestigkeit bieten und dv/dt-Transienten des Schaltknotens besser verarbeiten. Dies verhindert falsches Auslösen. Da SiC-MOSFETs schnell schalten und eine geringere Gate-Ladung (Qg) aufweisen als entsprechende Silizium-Bauelemente, sorgt ein galvanisch isolierter Gate-Treiber für ein robusteres Design – auch in Anwendungen, die einen solchen nicht unbedingt erfordern. Heute bieten viele spezielle SiC-Treiber praktische Funktionen wie negative Gate-Ansteuerung, DESAT, OCP, OTP und andere Schutzfunktionen. Die Auswahl des richtigen Gate-Treibers macht die Ansteuerung eines SiC-Bauelements nicht schwieriger als die eines Silizium-MOSFETs.
Wirtschaft, Ökosystem und Lieferkette rund um SiC
Es besteht der Irrglaube, dass SiC-Lösungen teuer sind. Im Vergleich zu Silizium-MOSFETs ist der Preisaufschlag für SiC-Bauelemente zwar gering, aber betrachten wir ein typisches siliziumbasiertes 30-kW-Leistungselektroniksystem: Hier entfallen 90% der Gesamtkosten auf die Induktivitäten und Kondensatoren (60 bzw. 30%), während die Halbleiterbauelemente nur 10% der Gesamtkosten der Stückliste ausmachen. Werden nun die Silizium-MOSFETs durch SiC-Schalter ersetzt, verringert sich die Größe der Kapazität und der Induktivität um 75%, was eine erhebliche Kostenreduzierung (und auch Größenreduzierung) mit sich bringt. Dies wiegt den Kostenanstieg bei den Schaltkomponenten auf. Darüber hinaus bieten Silizium-Bauelemente einen geringeren Wirkungsgrad als SiC und erfordern teure und sperrige Kühlkörper. Daher sind die Gesamtkosten einer SiC-Lösung niedriger als die einer Siliziumlösung.
Das SiC-Ökosystem entwickelt sich rasch weiter, da die Technik Einzug in den Mainstream hält. Mittlerweile gibt es eine große Auswahl kommerzieller SiC-Bauelemente und zugehöriger Gate-Treiber in verschiedenen Gehäusen, die sich für zahlreiche Anwendungen eignen. Die Wissensbasis für SiC wächst in der gesamten Branche, da die Hersteller ihre Unterstützung durch Anwendungstechniker, Referenzdesigns, Anwendungshinweise, Simulationsmodelle und Tools ausbauen. Die Verfügbarkeit von Bauelementen (nicht nur SiC) war in letzter Zeit für einige Bereiche ein Problem.
Nach der kürzlichen Übernahme von GTAT ist die Lieferkette von onsemi jedoch weitaus robuster. onsemi ist der einzige Großlieferant mit einer durchgängigen SiC-Lieferfähigkeit, einschließlich Halbleiterkristallzucht, Substrat, Epitaxie, Bauteilfertigung, integrierte Module und diskrete Gehäuse. Um das erwartete Wachstum bei SiC in den nächsten Jahren zu unterstützen, plant onsemi, die Kapazität der Substratfertigung um das Fünffache zu erhöhen und erhebliche Investitionen in den Ausbau der Bauelemente- und Modulkapazität zu tätigen, um diese 2023 an allen Standorten zu verdoppeln. Danach wird sich die Kapazität 2024 nahezu verdoppeln, mit der Möglichkeit, bei Bedarf erneut zu wachsen.
Robustheit bei hohen Temperaturen und Spannungen
Die breite Bandlücke (WBG; Wide-Bandgap) des SiC-Materials sorgt für eine bessere Avalanche-Robustheit in SiC-MOSFETs, da die thermisch erzeugte Ladungsträgerkonzentration viel geringer ist als die von Silizium-Bauelementen. Es stimmt zwar, dass SiC-Bauelemente kleinere Geometrien haben und ihre Kurzschlussfestigkeit daher geringer ist als die eines IGBT. Aber durch einen geeigneten SiC-Gate-Treiber wird sichergestellt, dass der Fehler erkannt und das Bauelement mit genügend Spielraum ausgeschaltet wird. Damit lassen sie sich ohne Bedenken in Anwendungen einsetzen, in denen Robustheit erforderlich ist. Die Batteriespannung vieler Elektrofahrzeuge steigt von 400 auf 800 oder sogar 1000 V. In Fotovoltaik-/PV-Systemen erhöht sich die Eingangsspannung von 600 auf 1500 V. Um diesem Bedarf an Bauelementen mit höheren Durchbruchspannungen gerecht zu werden, hat onsemi eine Reihe planarer 1700V-M1-EliteSiC-MOSFETs entwickelt, die für schnelle Schaltanwendungen optimiert sind. Neben diesen MOSFETs bietet onsemi auch eine Reihe von 1700V-SiC-Schottky-Dioden an.
Fazit
Nach der Betrachtung von Si- und SiC-Bauelementen in verschiedenen Bereichen ist klar, dass viele weit verbreitete Missverständnisse keine sachliche Grundlage haben. Entwickler sollten bei der Auswahl und Anwendung dieser vielseitigen Technologie in ihren Designs daher zuversichtlich sein.
Autor: Ajay Hari, Applications Director, onsemi