Der Robotermarkt wächst. Das vielfältige Modellangebot erweitert die Einsatzmöglichkeiten ständig und mittlerweile können auch kleinere Unternehmen mit Hilfe von kleinen Knickarmrobotern oder Cobots (kollaborativen Robotern) ihren Betrieb automatisieren und Produktionsprozesse wirtschaftlicher gestalten. Allerdings steht bei großen wie auch bei kleinen Robotern die Sicherheit an erster Stelle. Damit bei einem Steuerungs- oder Stromausfall weder Mensch noch Investitionsgut zu Schaden kommt, werden elektromagnetische Bremsen in den Achsen eingebaut, um den Roboterarm im Störungsfall sicher in Position zu halten. Unterschiedliche Funktionsprinzipien, Baugrößen und Leistungsklassen stellen sicher, dass sich für die verschiedenen Roboter die richtigen Bremsen finden lassen. Dort wo Standardlösungen nicht in Frage kommen, bietet Kendrion dem Anwender die passende Lösung – zugeschnitten auf die individuelle Applikation.
Sicherheitsbremsen in der Robotik haben zwei Aufgaben: Sie müssen die bewegten Massen aus der Bewegung in Notsituationen oder Störungsfällen abbremsen und diese im Stillstand sicher halten. Ihr Bremsmoment beziehungsweise ihre Bremskraft wird über vorgespannte Federn oder über Permanentmagnete erzeugt. Geöffnet werden die Bremsen elektromagnetisch. Im stromlosen Zustand sind sie geschlossen. Dadurch sorgen sie dafür, dass es bei allen Betriebsbedingungen einschließlich Not-Aus und Stromausfall nicht zu Kollisionen kommt, z.B. zwischen Mensch und Roboterarm. Selbst bei einer Beschädigung der Bremse, zum Beispiel durch Bruch der Energiezuleitung oder Ausfall der Magnetspule, besteht keine Gefahr, denn die Bremswirkung ist auch bei Störungen sichergestellt. Ein Roboter ohne elektromagnetische Bremsen, die die Sicherheit jederzeit gewährleistet, ist deshalb nicht denkbar.
Unterschiedliche Einbaubedingungen
Einbaubedingungen für Sicherheitsbremsen unterscheiden sich allerdings, sie sind abhängig vom jeweiligen Robotertyp. Bei großen Industrierobotern lassen sich die Bremsen in der Regel problemlos unterbringen; hier gibt es an den extern angebrachten Servomotoren genügend Platz. Schwieriger wird es bei dem schnell wachsenden Markt der kleinen Knickarm- und kollaborativen Roboter. Hier sitzen die Motoren oft ohne Gehäuse direkt im Gelenk, in dem auch die Sicherheitsbremse ihren Platz finden muss.
Yuanda Robotics, ein junges Start-up-Unternehmen aus Hannover, hat einen neuen, sehr vielseitig einsetzbaren kollaborativen Roboter entwickelt. Als Allround-Werkzeug, das sich schnell integrieren lässt – bei übersichtlichen Investitionskosten – eignet sich der kleine Roboter für Präzisionsanwendungen in verschiedenen industriellen Umgebungen. Er kann bei halb- und vollautomatisierten Prozessen eingesetzt werden und dabei nahtlos mit dem Menschen zusammenarbeiten. Die sechs Robotergelenke des Cobots, der eine Tragkraft bis 7 kg hat, bieten allerdings kaum Raum für die Sicherheitsbremsen. Gesucht wurden also kleine, vor allem sehr flache Bremsen, die gleichzeitig aber noch einen großen Innendurchmesser haben sollten, um die Verkabelung hindurchzuführen. Eine Stiftverriegelung, wie sie in ähnlichen Roboterarmen verwendet wird, kam aufgrund des hohen Anspruchs an die Sicherheit für Yuanda nicht infrage. Das Start-up wandte sich an die Bremsenspezialisten von Kendrion. Deren 2017 speziell gegründetes Robotik-Team entwickelte innerhalb kürzester Zeit maßgeschneiderte, besonders flache Federdruckbremsen, mit denen Yuanda Robotics das Projekt dann zügig umsetzen konnte. Flexible Methoden, kreative Arbeitsweisen und die enge Zusammenarbeit zwischen Anwender, Vertrieb und Technik haben die Entwicklungszeit der neuen Produkte deutlich verkürzt.
Agile Entwicklungsmethoden sparen Zeit und Kosten
Das Robotik-Team von Kendrion arbeitet nicht nach dem in der Produktentwicklung meist üblichen linearen Vorgehen des sogenannten Wasserfallmodells, das in streng aufeinander folgenden Projektphasen organisiert ist. Dabei gehen die Phasen-Ergebnisse kaskadenartig wie bei einem Wasserfall immer als bindende Vorgaben für den nächsttieferen Projektschritt ein. Für eine Produktenwicklung muss der Kunde seine Anforderungen in Pflichten- oder Lastenheften also haarklein definieren – und zwar vor Projektbeginn. Oft kristallisiert sich jedoch erst im Laufe des Entwicklungsprozesses heraus, welche Funktionen im Einzelnen tatsächlich benötigt werden. Die Entwicklung einer neuen Robotikbremse hätte auf diese Weise gut zwei Jahre gedauert. Deshalb verfolgt das Robotik Team von Kendrion einen neuen Weg.
Zum Erfolg von Entwicklungsprojekten trägt einfache und effiziente Kommunikation mindestens ebenso bei wie die eingesetzten Arbeitsmethoden. Deshalb arbeitet das Team nach dem agilen Prinzip, d.h. es arbeitet sehr eng mit dem Kunden zusammen und steht im ständigen Kontakt mit ihm. Details können so schnell geklärt und Missverständnisse sofort beseitigt werden. Die Gefahr, dass Produkte in eine falsche Richtung entwickelt werden, wird durch mehrere Zwischenziele minimiert. Über regelmäßige Feedbackrunden zwischen dem Kunden und den Bremsenexperten wird der aktuelle Stand des Projekts geteilt und Anpassungen können direkt einfließen. Insgesamt verkürzte sich die Entwicklungszeit für die flachen Federdruckbremsen mit Hohlwelle auf ein halbes Jahr. Erste Muster standen bereits nach drei Monaten zur Verfügung, sodass Yuanda Robotics im Projekt „Cobot“ zügig erste Tests realisieren konnte.
Flache Bremse mit großem Innendurchmesser
Die Federdruckbremsen der Servo Slim Line-Baureihe, die das Resultat der Entwicklungsarbeit waren, sind für Robotiklösungen bis etwa 20 kg Traglast ausgelegt. Die „schlanken“ Einscheibenbremsen sind extrem flach und durch ihren großen Innendurchmesser gut für Hohlwellenantriebe geeignet. In dem Kundenprojekt mit Yuanda Robotics findet die Variante mit 70 mm Durchmesser in den unteren Gelenken, die 50-mm-Variante in den oberen Platz. Die Kabel lassen sich in beiden Fällen problemlos durchführen.
Die Servo Slim Line-Bremsen sind aber nicht nur für Leichtbauroboter geeignet, bei denen die Antriebe im Inneren verbaut sind. Sie eignen sich auch für viele andere Applikationen, bei denen geringe geometrische Abmessungen erforderlich sind. Typische Anwendungsbereiche finden sich z.B. bei Fahrerlosen Transportfahrzeugen (AGV), bei medizintechnischen Anwendungen und überall dort wo ein platzsparendes Design und ein geringes Gewicht unabdingbar sind. Agile Entwicklungskonzepte haben dazu geführt, dass die neuen, flachen Federdruckbremsen innerhalb kurzer Zeit auf den Markt gebracht werden konnten. Bei der Validierung und Verifikation der Werte kann sich der Anwender auf das kompetente Labor des Bremsenspezialisten verlassen. Das Labor ist ausgestattet mit Prüfvorrichtungen für den Messbereich von 0,1 Nm bis hin zu 10.000 Nm. Sämtliche Messdaten werden unter verschiedenen Einsatzbedingungen wie Temperatur, Reibarbeit, Drehzahl und Drehrichtung aufgezeichnet und für die technischen Daten herangezogen. Durch diese Möglichkeiten können dem Anwender fundierte technische Angaben bereitgestellt werden.