Gerade in industriellen Netzen spielt die Fehlersuche vor Ort an der Anlage eine wichtige Rolle. Hier bieten sich durch die Kombination neuer Techniken wie mobile Bediengeräte, interessante Möglichkeiten. So lässt sich etwa eine schnelle Netzwerkdiagnose per Smartphone an NFC-fähigen Industrial-Ethernet-Switches durchführen, was die Anlagenverfügbarkeit weiter erhöht.
Mobile Computer sind allgegenwärtig und für viele ein täglicher Gebrauchsgegenstand. Ob Tablet oder Smartphone - die Verwendung als Telefon ist schon fast nebensächlich geworden. Die gängigen Netze, die genutzt werden, basieren auf Funktechniken wie 3G/4G oder WLAN und erlauben Datenraten, die hinter leitungsbasierten Netzen kaum zurückstehen. Mit diesen Geräten bieten sich auch neue Möglichkeiten, den Betrieb dieser Netze selbst sicherer aufrechtzuerhalten - durch mobile Netzwerkdiagnose.
Übersichtliche Diagnoseinformation per Smartphone
In einer Industrieanlage, die auf hohe Verfügbarkeit ausgelegt ist, müssen unterschiedlichste Anlagenteile zusammenspielen, um diese Verfügbarkeit auch gewährleisten zu können. Dazu gehört auch das industrielle Netzwerk.
Folgeeffekt von Redundanzen ist, dass sich ein einzelner Fehler - z.B. ein Kabelbruch im Netzwerk - nicht zwangläufig auf die Funktionsfähigkeit der Anlage auswirkt. Da ein weiterer Fehler diesen Zustand schnell ändern kann, ist es von besonderer Bedeutung zu erkennen, ob sich alle Redundanz-Maßnahmen im "fehlertoleranten" Zustand befinden.
Angenommen im Netzwerk wird nach einem Kabelfehler ein redundanter Pfad aktiviert. Obwohl die Anlage weiterläuft, wird am Monitoring-System ein entsprechender Fehler angezeigt. Der Netzwerkbetreuer begibt sich zur Anlage und findet in kurzer Zeit die fehlerhafte Komponente, erkennbar an der roten Status-LED. Er hält sein Smartphone direkt vor den betroffenen Switch und einen Augenblick später öffnet der Internet Browser automatisch die Loginseite des mobilen Webinterfaces der Netzwerkkomponente. Nach Eingabe der Login-Daten hat der Operator Zugriff auf übersichtliche Diagnoseinformationen, deren Darstellung an die jeweilige Größe und Auflösung des mobilen Endgerätes angepasst sind. Wie ist das umsetzbar?
NFC-Tags vorteilhafter gegenüber QR-Code
Die meisten Smartphones oder Tablets der neuesten Generation besitzen einen NFC-Funkchip. Near Field Communication definiert die Kommunikation unter Benutzung unterschiedlicher vorgegebener Funkfrequenzen über eine Distanz von üblicherweise wenigen Zentimetern. Ähnlich der verwandten RFID-Technik (Radio Frequency IDentification) werden zum einen Lesegeräte z.B. im Smartphone benutzt und zum anderen sogenannte Transponder oder Tags, welche die zu lesende Information enthalten.
Ein Vorteil der Verwendung von NFC-Tags gegenüber den weit verbreiteten QR-Codes ist, dass der Benutzer nicht vorab eine Anwendung oder App starten muss. Durch die Aktivierung des NFC Empfängers kann automatisch die passende App oder bei Bedarf einfach nur der Internet-Browser gestartet werden. Und natürlich kann sich der Inhalt von NFC-Tags dynamisch ändern, was bei QR-Codes unmöglich ist.
Siemens-Industrial-Ethernet-Switches der neuen Scalance-XM-400-Familie haben einen NFC-Tag integriert, der Informationen für den Zugriff auf den Webserver des Switches enthält.
Modulare Switches mit integrierten NFC-Tags
Durch eine Kombination von elektrischen Ports und Steckplätzen für Small Form-factor Pluggables (SFP) können an den sog. Comboports wahlweise elektrische oder optische Übertragungsmedien angeschlossen werden. Mit einer großen Auswahl an optischen Transceivern lassen sich unterschiedliche Distanzen überbrücken. Mit Port-Extendern, die an den Switch angesteckt werden können, ist es möglich, in Summe 24 Ports mit Gigabit-Übertragungsraten in einem Layer-2-Switch bereitzustellen. Die Erweiterung ist im laufenden Betrieb und ohne Werkzeug durchführbar.
Mechanische und temperaturbezogene Robustheit bei lüfterlosem Betrieb qualifizieren die Switches für den produktionsnahen Einsatz. Auf der Firmware-Seite unterstützen Funktionen wie redundante Ring- oder Spanning-Tree-Topologien oder auch Security-Funktionen wie Access Control List oder Endgeräte-Authentifizierung die Netzwerkverfügbarkeit. Nach Einsatz eines Key-Plugs anstelle des Configuration-Plugs können im gleichen Switch umfangreiche Layer-3-Funktionen freigeschaltet werden. Im Fehlerfall lässt sich ein Ersatzgerät durch die Übertragung des Key-Plugs oder Configuration-Plugs sofort mit der vorherigen Konfiguration starten. Nicht zuletzt wird die Übersichtlichkeit der Anlagendokumentation durch die bereitgestellten CAx-Daten erhöht.
Bei jeder Konfiguration einer Management IP-Adresse wird diese im Fall der Scalance-XM-400-Switches gleichzeitig auch auf den NFC-Tag geschrieben. Das Smartphone oder Tablet muss die Möglichkeit besitzen, z.B. per WLAN-Verbindung den Switch zu erreichen. Auch kann es über eine bereits bestehende VPN(Virtual Private Network)-Verbindung in das Firmennetz eingebunden sein. Die Komponenten der Scalance-W-Familie für WLAN bzw. der Scalance-M-Familie für den Remote-Zugriff über VPN bieten hierfür die geeignete Ergänzung.
Starthilfe per NFC
Zum Start der NFC-Datenübertragung wird das Endgerät direkt an das XM-400-Grundgerät gehalten. Der NFC-Tag im Switch befindet sich hinter der Gerätefront im Bereich des Service-Panels unterhalb der Port-LEDs und ist somit leicht erreichbar.
Per NFC wird die Adresse an das Endgerät übermittelt, die zum Start des WBM (Web-based Management) erforderlich ist, z.B. 192.168.1.1
Die allgemeine Bezeichnung einer solchen Adresse, bestehend aus Zugriffmethode und Ort, ist der Uniform Ressource Locator oder kurz URL. Dieser kann z.B. eine FTP- oder HTTP-Ressource bezeichnen. Hier - wie auch bei den meisten Zugriffen auf Internet-Web-Seiten - ist es eine HTTP-Ressource. Um NFC-Tags möglichst einfach und erschwinglich zu halten, besitzen die meisten eine sehr eingeschränkte Speicherkapazität. Üblich sind einige hundert Bytes. Aus diesem Grund wurden kurze Kennungen für spezielle Datentypen definiert. So gibt es Typen, die folgende Strings repräsentieren:
· Typ "1" als Abkürzung für "http://www."
· Typ "3" als Abkürzung für "http://"
· Typ "7" als Abkürzung für "ftp://anonymous:anonymous@"
Diese Definitionen wurden vom NFC-Forum im NFC Data Exchange Format (NDEF) festgelegt.
Nachdem der URL per NFC an das mobile Endgerät übermittelt ist, startet dieses automatisch den Internet-Browser und versucht die entsprechende Web-Seite zu öffnen.
An dieser Stelle muss sichergestellt sein, dass das Smartphone oder Tablet z.B. per WLAN oder LTE (Long Term Evolution) Verbindung mit dem Switch aufnehmen kann. Für eine langfristige Datenübertragung ist NFC schlecht geeignet, da es offensichtlich schwierig ist, das Endgerät zu bedienen und gleichzeitig einen Übertragungsabstand von etwa drei Zentimetern einzuhalten. Zudem arbeitet NFC lediglich mit einer Übertragungsrate von ca. 400 kBit/s. Der Web-Server des XM-400-Switch erkennt an der Browser-Information, dass es sich um ein mobiles Gerät handelt und schaltet auf die angepassten Web-Seiten um.
Da die Security-Aspekte des Zugangs zur Netzkomponente auch bei Benutzung dieses Weges eingehalten werden müssen, landet der Benutzer zuerst auf der Login-Seite. Nach Eingabe von User-Name und Passwort stehen dem Benutzer eine Reihe von Diagnoseseiten zur Verfügung.
Diagnose auch über einfache mobile Geräte
Angelehnt an die mittlerweile weitverbreitete Bedienphilosophie mobiler Web-Seiten, fällt es leicht, sich sofort zurechtzufinden. Auch im Vergleich zum klassischen WBM werden korrespondierende Inhalte präsentiert, die der erfahrene Benutzer sofort wiedererkennt und interpretieren kann.
Fällt die Bildschirmauflösung unter eine Grenze, bei der selbst die angepasste Darstellung nicht mehr gut lesbar wird, ändert sich nochmals die Anordnung der einzelnen Anzeigefelder. So werden auch auf einfachen mobilen Geräten die Informationen übersichtlich präsentiert. Und selbst ohne NFC-Unterstützung können die mobilen Seiten händisch angewählt werden.
Deuten die Diagnoseanzeigen und Logging-Meldungen darauf hin, dass eine Änderung der aktuellen Konfiguration nötig ist, kann jederzeit zur klassischen WBM-Ansicht gewechselt werden.
Ist der Benutzer in der entsprechenden Rolle angemeldet, kann er direkt mit der Änderung der Konfiguration fortfahren. In der klassischen WBM-Ansicht stehen hierfür über einhundert Seiten für die unterschiedlichsten Aspekte zur Verfügung.
Erhöhung der Anlagenverfügbarkeit
Neben den Geräteeigenschaften, die direkt zu einer höheren Verfügbarkeit des Netzwerks und damit der Gesamtanlage führen, wie z.B. eine redundante Spannungseinspeisung, lüfterloser Betrieb oder die Verwendung spezieller Redundanzprotokolle, verkürzen im Fehlerfall auch die einfache Diagnose sowie schnell greifbare Korrekturmöglichkeiten die Stillstandszeiten.
Abgerundet werden diese Möglichkeiten durch die Einbindung aller Netzwerkkomponenten in ein Monitoring-System wie Sinema Server. Neben der lokalen Speicherung von Meldungen können diese dann zentral zum Monitoring-System gesendet werden, wodurch die Korrelation von Meldungen unterschiedlicher Quellen stark vereinfacht wird.
Autor: Martin Mehn, Produktmanager für industrielle Switches, Siemens Industry Automation, Nürnberg