IEN D-A-CH: Als wichtiger Bestandteil des neuen JUMO Automatisierungssystems ist die neue Zentraleinheit variTRON 500 auf den Markt gekommen. Welche Vorteile bringt der Einsatz dieser Einheit?
M. Brosig: Das variTRON-System ist der Nachfolger des Automatisierungssystems JUMO mTRON T und basiert als erstes Produkt komplett auf der neuen JUPITER-Plattform. Bei variTRON 500 handelt es sich um die Zentraleinheit des neuen Systems. Besonderen Wert haben wir bei der Entwicklung auf eine hohe Geschwindigkeitsperformance, eine sehr gute Skalierbarkeit und eine flexible Bedienphilosophie gelegt. In der nächsten Zeit werden wir Stück für Stück weitere variTRON-Module entwickeln.
Der Modulgedanke macht das System wesentlich anwenderfreundlicher und auch individualisierbarer als bisherige Lösungen. So wurde unter anderem das Setup-Programm für das JUMO-Automatisierungssystem komplett überarbeitet. In dieses wurde ein kundenspezifischer Konfigurations- und Prozess-Dateneditor integriert. Dieser ermöglicht es dem Endanwender, die Benutzeroberfläche mit Hilfe eines Web-Portals weitgehend nach seinen Anforderungen zu gestalten. Das betrifft zum Beispiel verschiedene Sprachvarianten und reicht bis zu kompletten Bedienstruktur.
IEN D-A-CH: Eine immer wiederkehrende Frage von Nutzern bei Umstellungen auf ein neues System ist, wie es mit der möglichen Weiternutzung von bereits vorhandener Hardware und Komponenten aussieht. Ist eine entsprechende Kompatibilität gegeben?
M. Brosig: Selbstverständlich. Bis auf eine Ausnahme können alle Module des JUMO mTRON T-Systems auch mit unserem neuen Automatisierungssystem verwendet werden. Nutzer können also problemlos ihre vorhandenen Elemente mit der neuen Zentraleinheit verwenden.
IEN D-A-CH: Das Herzstück der variTRON 500 Einheit bildet Jupiter. Was verbirgt hinter diesem Namen?
M. Brosig: JUMO Jupiter ist eine modulare, flexible und vor allen Dingen zukunftsfähige Hardware-Plattform, kombiniert mit einer modernen Software-Architektur. JUPITER ist aber auch gleichzeitig so etwas wie das Kernstück unserer zukünftigen Technologieentwicklung. Die Plattform ermöglicht kürzere Startzeiten, höhere Prozessorgeschwindigkeiten und eine deutlich gestiegenen Flexibilität. Auch die Konnektivität im Zusammenspiel mit „Fremdsteuerungen“ oder zu bestehenden JUMO-Produkten, wie zum Beispiel digitalen Sensoren, wird verbessert. Neue Funktionalitäten und Technologien können kurzfristig in die Plattform integriert und branchenspezifische Lösungen so effizient realisiert werden. Damit tragen wir dem Trend zur Digitalisierung Rechnung.
IEN D-A-CH: Gerade die Software spielt bei aktuellen Automatisierungsprodukten eine immer wichtigere Rolle, welche Schnittstellen und Funktionen sind in das System eingebunden?
M. Brosig: Beim Thema Konnektivität zeigt sich sehr gut der modulare Gedanke der JUPITER-Plattform. Bis zu 11 externe und 5 interne Schnittstellen sind auf der Plattform möglich. Dabei wurden alle derzeit gängigen Standards wie ETHERNET, CAN, USB, HDMI, I2C oder SATA berücksichtigt. Das Prinzip wurde ebenfalls bei der Gestaltung der Software weiterverfolgt. Neben WLAN und Bluetooth können auch moderne Cloud-Lösungen problemlos realisiert werden, da die Anforderungen des MQTT und OPC UA berücksichtigt wurden.
Eine zentrale Rolle spielt auch das Thema „Skalierbarkeit“. Die Flexibilität der JUPITER-Plattform beginnt schon bei der Hardware, bei der ein 800 MHz-Prozessor je nach Anwendung als Single-, Dual- oder Quad-Core-Variante eingesetzt werden kann. Das CPU-Modul ist steckbar. Leistungsstärkere oder leistungsschwächere Prozessoren können damit je nach Kundenanforderungen verwendet werden. Der Arbeitsspeicher kann zwischen 8 und 32 GByte groß sein.
Auch mit der Software ist der Anwender optimal für die Zukunft gerüstet, denn bei der JUPITER-Plattform kommt eine LINUX-Umgebung zum Einsatz. Das bringt eine ganze Reihe von Vorteilen: Durch die bei UNIX-Systemen konsequente Trennung von Benutzer- und Administrator-Konten und durch die geringe Verbreitung gilt das System als sicherer und wesentlich weniger anfällig gegen Schadprogramme als beispielsweise eine Windows-Umgebung. Dazu kommen die enormen Freiheitsgrade, die die Open-Source-Software ermöglicht. Denn da das eigentliche Linux nur aus einem Systemkern (Kernel) und wenigen Basisprogrammen besteht, können Anwender das System komplett frei gestalten. Die Software ermöglicht weiterhin eine sehr gute Skalierbarkeit der Performance, Speicher und Schnittstellen. Bei der JUMO JUPITER-Plattform wurde beispielsweise die komplette Software-Architektur modularisiert angelegt, wobei ein besonderer Schwerpunkt auf die Themen „Kryptographie“ und „Internet-Security“ gelegt wurde. So ist beispielsweise eine Benutzerverwaltung per LDAP möglich. Auch die Anforderung einer stabilen Bedienung mit Mobilgeräten (Smartphones oder Tablets) im industriellen Umfeld wurde berücksichtigt.
IEN D-A-CH: Gibt es Planungen zur Bereitstellung branchenspezifischer Lösungen für Kundengruppen und welche Möglichkeiten bieten sich für Kunden eigene Lösungen umzusetzen?
M. Brosig: Das System ist prädestiniert für spezifische Branchenlösungen. Denn JUMO JUPITER ist auf Basis eines Kundenprojekts entstanden. Ein Anlagenbauer aus der Lebensmittelindustrie nutzt bereits seit vielen Jahren unser Automatisierungssystem JUMO mTRON T zur Steuerung von Koch- und Räucheranlagen. Gemeinsam mit dem JUMO Engineering Team sollte für eine neue Generation von Geräten eine völlig neue Steuerung realisiert werden. Wir haben recht schnell gemerkt, dass das mit dem bisherigen System nicht realisierbar war und haben deshalb entschieden, eine völlig neue, zukunftsfeste Lösung zu entwickeln, von der auch weitere JUMO-Produkte profitieren könnten. Das Ergebnis kann natürlich ganz unterschiedlichen Branchen Verwendung finden – das JUMO-Engineering-Team unterstützt Kunden gerne bei der Entwicklung individueller Lösungen.
IEN D-A-CH: Welche Produktneuheiten werden als nächstes auf Basis der neuen Plattform auf den Markt kommen?
M. Brosig: Ein Grundgedanke bei der Entwicklung der JUPITER-Plattform war der „modulare Querbaukasten“. Dieser Begriff stammt aus der Automobilindustrie und bezeichnet dort eine zentrale Baugruppe, auf der ganz viele verschiedene Modell einer Marke entwickelt werden. Genau so wird JUPITER-Plattform die Grundlage für alle zukünftigen JUMO-Produkte aus den Bereichen „Regeln“, „Registrieren“, „Automatisieren“ und „Überwachen“ dienen. Die Bandbreite reicht hier von Bildschirmschreibern über Prozess- und Programmregler bis zu Sicherheitsbegrenzern. In diesem Jahr werden wir voraussichtlich erste Zusatzmodule für das variTRON 500-System vorstellen und eine kleinere Variante der Zentraleinheit. In der Folgezeit werden dann weitere JUMO-Geräte mit der JUPITER-Plattform ausgestattet. Das sind zum Beispiel die Bildschirmschreiber der bewährten LOGOSCREEN-Serie, die AQUIS touch Mehrkanalmessgeräte für die Flüssigkeitsanalyse oder der Prozess- und Programmregler DICON touch.
IEN D-A-CH: Vielen Dank für das Interview.