Bei der Lebensmittelherstellung ist die Qualitätskontrolle im Labor mit klassischen Laborsystemen und nasschemischen Verfahren immer noch weit verbreitet. Praxisgerecht ist ein solches Vorgehen jedoch nicht. Proben müssen aus der laufenden Produktion entnommen werden, was sich oftmals als schwierig erweist, besonders bei geschlossenen Produktionslinien unter Einhaltung der Hygienebedingungen. Pro Analyse lässt sich oft nur ein Parameter bestimmen. Es entsteht chemischer Abfall, der entsorgt werden muss. Zudem sind bei einem 24-Stunden-Betrieb die Personalkosten beachtlich; vorausgesetzt es gibt überhaupt genügend Fachkräfte.
Deutlich effizienter lassen sich fertigungs- und qualitätsrelevante Parameter wie Feuchte, Zucker-, Eiweiß- und Fettgehalt mit NIR-Spektrometern direkt in der Produktionslinie bestimmen, berührungslos und ohne dass Proben aus dem Prozess entnommen werden müssen. Die Analysen belegen dann beispielsweise, dass das Produkt der Rezeptur und auch der Inhaltangabe auf dem Etikett entspricht und dass die gesetzlichen Vorgaben erfüllt sind. Gleichzeitig werden Fehlproduktionen vermieden, weil abweichende Werte sofort zu erkennen sind und nicht erst nach der Laboranalyse. Rohstoffe und Energie lassen sich zudem besser nutzen. Ist beispielsweise der gewünschte Trocknungsgrad erreicht, muss dem Prozess keine Wärme mehr zugeführt werden.
So funktioniert‘s
Die Nahinfrarot-Spektroskopie arbeitet mit Licht zwischen ca. 800 und 2.500 nm Wellenlänge. Bei der Absorption von NIR-Strahlung werden Moleküle zu Schwingungen angeregt. Aus den reflektierten Spektren können Informationen über die molekulare Zusammensetzung abgelesen werden. Diese lassen sich dann sowohl zur Identifizierung („fingerprint“) als auch zur Quantifizierung von Substanzen nutzen.
Ein Hauptvorteil der NIR-Spektroskopie ist dabei die einfache Handhabung, denn Licht lässt sich durch Luft oder Glasfasern fast überall hin transportieren. Außerdem können Spektrometer-Systeme entsprechend den jeweils gegebenen Produkt- bzw. Prozesseigenschaften individuell angepasst werden. Kalibriert wird das Spektrometer-System auf Basis der erzeugten NIR-Daten und einer Referenzanalyse im Labor. Mit dem chemometrischen Kalibrationsmodell ist das System dann in der Lage, jederzeit Proben mit unbekannter Konzentration auszuwerten.
Modularer Systemaufbau
Weil die Anwendungen sehr breit gefächert sind, hat Polytec seine NIR-Spektrometer-Systeme modular aufgebaut. So können diese flexibel den jeweils gegebenen Produkt- bzw. Prozesseigenschaften individuell angepasst werden. Kombinationen aus Spektrometer, unterschiedlichen Messköpfen und verschiedenen Softwarepaketen ermöglichen es, eine optimierte Lösung für eine qualitative oder quantitative Inline-Analyse zusammenzustellen, die zuverlässige Messergebnisse in Echtzeit liefert.
Das Herzstück bildet dabei immer die Spektrometer-Einheit, der sogenannte Polychromator, der mit moderner Diodenzeilen-Technik ausgestattet ist. Besonders wichtig für den Einsatz in einem industriellen Umfeld mit teilweise schwierigen Umgebungsbedingungen sind die kompakte Bauform und die robuste Konstruktion, die durch den Verzicht auf bewegliche Teile erreicht werden. Die Trennung von Spektrometer und Messkopf, die über beliebig lange Lichtwellenleiter verbunden sind, ermöglicht zudem die Montage des Spektrometers in einem weniger problematischen Umfeld. So kann der Kontaktmesskopf an Rohrleitungen im Explosionsschutz-Bereich (IECEx & ATEX-Bereich) dank seiner kompakten Bauweise einfach integriert werden und das Spektrometer-System mit Datenauswertung im Kontrollraum, also Nicht-Ex-Bereich, aufgebaut sein.
Qualitätskontrolle bei Olivenöl
Die NIR-Spektrometer finden ihren Einsatz in vielen Bereichen der Lebensmittelproduktion: So nutzen Hersteller von Speiseölen die Technologie, um den Ölgehalt von Ölsaaten und Früchten noch vor der Pressung zu bestimmen. Bei Oliven beispielweise lässt sich Öl und Säuregehalt direkt nach der Ernte auf dem Förderband bestimmen. Das ist wichtig, weil die Lieferanten je nach Ölgehalt der Oliven bezahlt werden. Nach der ersten Pressung misst ein NIR-Spektrometer den Gehalt an Fettsäure, der über die Güteklasse entscheidet. Bei der höchsten Güteklasse „extra vergine“ beispielsweise muss der Fettsäuregehalt unter 0,8 besser noch unter 0,5 % liegen. Beim Trester lässt sich nach der Pressung der Restölgehalt bestimmen, um zu entscheiden, ob sich eine weitere Verarbeitung mit schlechterer Güteklasse lohnt. Die NIR-Spektrometer steigern so die Effizienz des Pressvorgangs und die Qualität des erzeugten Speiseöls. Dies hilft dem Produzenten und schließlich auch dem Verbraucher, der ein hochqualitatives Produkt konsumieren kann, das lange haltbar ist und den gesetzlichen Vorgaben entspricht.
Definierter Fettgehalt bei der Produktion von Trinkmilch
Gleiches gilt bei der Produktion von Milch und Käse. Hier lassen sich gängige Parameter wie Fett- und Eiweißgehalt kontinuierlich ermitteln und damit die optimale Produktqualität und Produktionsauslastung gewährleisten. Um beispielsweise eine Trinkmilch mit einem definierten Fettgehalt zwischen 0,1 und 7 % herzustellen, werden zuerst die Fettphase (Sahne) und wässrige Phase getrennt (Separation) und anschließend zu definierten Bestandteilen wieder gemischt (Standardisierung). Für beide Produktionsschritte wird an unterschiedlichen Stellen ein NIR-Kontaktmesskopf direkt in der Pumpleitung montiert. Parameter, die hier gemessen werden, sind außer Fett und Eiweiß auch die Gesamttrockenmasse und der Laktosewert.
Anwendungen von Schokolade bis Fleischersatz
Ähnliche Aufgabenstellung gibt es überall in der Lebensmittelproduktion, zum Beispiel auch bei der Herstellung von Schokolade. Wichtige Parameter, die es während des vielstufigen Produktionsprozesses zu überwachen gilt, sind hier vor allem der pH-Wert des Kakaos, Fett- und Zuckergehalt sowie die Gesamttrockenmasse. Weitere typische Einsatzbereiche für die NIR-Spektrometer gibt bei der Herstellung von Fleischprodukten, Wurst oder veganen Alternativ-Erzeugnissen. Die Inline-Analyse von Fett-Eiweißgehalt und Feuchte sorgt hier für eine konstante Produktqualität, bei der die auf der Verpackung angegebenen Inhaltstoffe nachweislich mit der Produktzusammensetzung übereinstimmen.
Aufgrund ihrer Vielseitigkeit eignen sich die NIR-Spektrometer aber nicht nur für die Nahrungsmittelindustrie, sondern auch für Inline-Analysen in vielen anderen Branchen. Ihre Anwendungsgebiete reichen von Landwirtschaft oder Chemie- und Pharmaindustrie über Biotechnologie, Polymerherstellung sowie Petrochemie bis hin zur Kunststoffsortierung im Recycling.
Autor: Michael Huber, Applikation- & Produktmanager Analytik