IEN D-A-CH: Das Ziel von ctrlX Automation ist es, dem Anwender ein offenes Automatisierungssystem zu bieten. Wie gewährleisten Sie dies und welche Bausteine sind enthalten?
Winkler: Offenheit ist eine der zentralen Eigenschaften von ctrlX Automation und war von Anfang an eine der wichtigsten Prämissen bei der Entwicklung. Wie haben wir das umgesetzt? Mit einer offenen Softwarearchitektur und einem App-basierten Engineering, das es Anwendern ermöglicht, nicht nur von Bosch Rexroth erstellte Apps, sondern auch Applikationen unserer Partner oder selbst erstellte Apps zu nutzen. Die gesamte Toolchain ist offen für Anwender, einschließlich Dokumentationen und Beschreibungen. Der Anwender ist nicht mehr an proprietäre Systeme und Schnittstellen gebunden.
Wir setzen auf EtherCAT, unterstützen aber auch mehr als 30 weitere Kommunikationsstandards wie OPC UA, MQTT, IO-Link auf der I/O-Seite und viele mehr. Wir haben bewusst auf Vorgaben verzichtet und unterstützen die Lösungen, die sich auf dem Markt als Standard etabliert haben und sich künftig noch etablieren werden.
IEN D-A-CH: Ein neues System bedeutet meist einen hohen Anfangsaufwand für die Einarbeitung und Anpassung. Welche Hilfe können Sie Neueinsteigern für einen möglichst reibungslosen Einstieg bieten?
Winkler: Mit dem Echtzeitbetriebssystem Linux, durchgängig offenen Standards, App-Programmiertechnologie, einem webbasierten Engineering und einer umfassenden IoT-Verbindung reduziert ctrlX Automation den Komponenten- und Engineering-Aufwand um 30 bis 50 Prozent. Die Entwicklung neuer Maschinenkonzepte wird so erheblich beschleunigt.
Der Getriebehersteller Wittenstein, einer unserer Partner, bietet künftig beispielsweise serienmäßig smarte Getriebe mit integriertem Sensormodul, das eine Industrie-4.0-Konnektivität ermöglicht. Knapp eineinhalb Wochen hat das Einbinden und Umlernen auf Linux gedauert. Bei künftigen Anbindungen rechnet das Unternehmen nur noch mit ungefähr einem halben Tag Anbindungszeit.
IEN D-A-CH: Was sind die Hauptvorteile, die sich erzielen lassen, wenn man beispielhaft eine Produktionsline betrachtet?
Winkler: Anwender stellen sich benötigte Funktionalitäten modular zusammen. Sie sind nicht an proprietäre Systeme oder Schnittstellen gebunden, sondern völlig frei in der Gestaltung ihrer Automatisierungslösung. Die Software läuft komplett unabhängig von der Hardware.
Wir garantieren eine Serviceverfügbarkeit von bis zu 25 Jahren und haben Zukunftstechnologien wie TSN oder 5G bereits im System vorbereitet. Das bringt Investitionssicherheit für den Anwender und seine Produktionslinie.
Ein weiterer Vorteil ist die Updatefähigkeit. Wir wissen, dass die Mehrzahl der Anwender und Produktionsunternehmen einen Internetzugang an Maschinen heute noch nicht akzeptiert, bzw. sehr restriktiv handhabt. Wir wissen aber auch, dass sich dies Schritt für Schritt ändern wird. Unabdingbar ist dabei, dass die Sicherheit des Systems gewährleistet ist und das bieten wir. Für Anwender ergeben sich dadurch neue Möglichkeiten für Erweiterungen, regelmäßige Sicherheitsupdates und neue Funktionalitäten. Auch die Anbindung der Maschinenebene an überlagerte IT-Systeme, wie MES- oder ERP-Systeme wird einfacher. Für uns selbst bieten sich damit Möglichkeiten, mehr über den Zustand der Komponenten im Feldeinsatz zu erfahren und sie dadurch weiterverbessern zu können.
Aber es war uns bei der Entwicklung von Hard- und Software auch wichtig, alle Komponenten so bauraumoptimiert wie möglich umzusetzen. Die Steuerung ctrlX Core-bietet eine leistungsfähige CPU in einem sehr kompakten Gehäuse. Aber auch die Motoren, Antriebe und I/Os sind um bis zu 50% verkleinert worden. Das bietet konkrete Vorteile, weil Automatisierung ja zunehmend mobiler wird.
IEN D-A-CH: Sie haben gerade die I/O Module angesprochen, die Sie für das System von Grund auf neu entwickelt haben. Was waren die Gründe, die zu dieser Entscheidung geführt haben?
Winkler: Wir haben uns lange mit der „Make or buy“-Frage auseinandergesetzt und uns auch mit einigen potentiellen Partnern ausgetauscht. Letzten Endes sind wir aber zu der Entscheidung gekommen, dass wir die Herstellung selbst übernehmen müssen, wenn wir alle Anforderungen zu Performance, Engineering, Diagnose, Automatisierungs-Architektur, Safety-Integration und der schnellen Umsetzung von Kundenwünschen umsetzen wollen. Das wäre nicht mit einem einzigen Partner möglich gewesen. Das heißt aber nicht, dass wir in Zukunft alles selber machen. Wichtige Kernfunktionen liegen bei uns, aber wir laden Interessenten ein, sich mit ihrer Erfahrung an der Lösung und deren Weiterentwicklung zu beteiligen, z.B. bei spezifischen I/O-Modulen für Branchen mit besonderen Anforderungen. Das System ist offen für Co-Projekte.
IEN D-A-CH: Innovationszyklen beschleunigen sich weiter, wie stellen Sie die Zukunftssicherheit des Systems bei Hardware und Software sicher?
Winkler: Das ist für uns ein sehr wichtiges Thema. Das System ist ja noch relativ jung, die Hardware befindet sich gerade in der Markteinführungsphase. Die Servicefähigkeit stellen wir für bis zu 25 Jahre sicher. Wenn Sie z.B. heute unsere Steuerung ctrlX Core kaufen, dann wird sie sicher für 10 Jahre im aktiven Vertrieb sein. Im Falle einer Abkündigung ist die Ersatzteilversorgung für weitere 10 Jahre garantiert. Darauf sind Teilebevorratung und die Lieferketten ausgelegt. Und als optionale Dienstleistung, die von vielen Kunden geschätzt wird, können wir diese Gewährleistung um weitere 5 Jahre verlängern. Bei der Software achten wir sehr strikt darauf, dass diese hardware-agnostisch ist, d.h. eine App, die heute für die ctrlX Core geschrieben wird, läuft auch noch in 5 Jahren auf der Steuerung. In der Vergangenheit, und auch bei bestehenden Systemen, war es immer schwierig, wenn eine CPU ersetzt werden musste. Wenn mehr Leistung benötigt wird oder die CPU nicht mehr zur Verfügung steht, muss die Software bisher meist sehr aufwendig angepasst werden. Dies versuchen wir bei ctrlX Automation zu vermeiden, um die Software auch bei veränderter oder leistungsgesteigerter Hardware einfach einsatzfähig zu halten.
IEN D-A-CH: Immer wichtiger werden die durchgängige Vernetzung und Anbindung an übergeordnete Systeme, bis in die Cloud. Welche Möglichkeiten bietet ctrlX Automation, um möglichst hohe Sicherheitsstandards mit Einfachheit für den Anwender zu verbinden?
Winkler: Der Vorteil von ctrlX Automation liegt in der Neuentwicklung von Grund auf. Wir haben “Security by Design“ für die gesamte Plattform einheitlich aufgebaut. Es war nicht nötig, Bereiche nachträglich einzubauen und nach außen abzusichern. Das erhöht die Sicherheit. Natürlich gibt es auch Security by Default, beispielsweise ist ein Zugriff auf das System ohne Passworteingabe nicht möglich. Wir bieten natürlich auch VPN-Client Lösungen und den kompletten Baukasten, um sicher online mit der Plattform zu kommunizieren, bis hin zu den Konnektoren für die etablierten Cloud-Anbieter wie AWS, Microsoft Azure, Google etc. Aber man muss nicht durchgängig „connected“ sein.Die Verbindung lässt sich auch nur für einen bestimmten Zeitraum mit entsprechender Authentifizierung herstellen, wenn zum Beispiel Wartungsaufgaben anstehen. Anwender können Projekte, wenn gewünscht, komplett über das ctrlX Device Portal oder auf der Steuerung ctrlX Core verwalten, mit sicherem Fernzugriff. Über den Eintrittspunkt der ctrlX Core lassen sich dann auch andere Komponenten auswerten – z.B. die Antriebe – oder deren Firmware aktualisieren. Durch Corona sehen wir gerade, was schon möglich ist. Mit der Firma CIMCORP haben wir bereits große Anlagen aus der Ferne in Betrieb genommen und das hat hervorragend geklappt. Auch wenn man diese Mechanismen noch nicht standardmäßig einsetzt, müssen die Voraussetzungen geschaffen werden, diese einsetzen zu können. Der Bedarf bei den Maschinen- und Anlagenbauern und bei den Anwendern wächst stetig.
IEN D-A-CH: Herr Winkler, vielen Dank für das Gespräch.