IEN D-A-CH: Eine Studie der Marktforschungs- und Beratungsfirma Pierre Audoin Consultants aus dem Jahre 2013 hat ergeben, dass rund 40 Prozent der deutschen Fertigungsindustrie Cloud Computing kategorisch ablehnen. Rund 70 Prozent der Befragten hegten dabei große Bedenken hinsichtlich der Verfügbarkeit und Performance, aber natürlich spielten auch Sicherheitsbedenken eine große Rolle. Können Sie diese Skepsis nachvollziehen, oder teilen Sie diese gar?
Zenner: Bei Verfügbarkeit und Performance können wir die Bedenken nicht teilen. Viele zertifizierte Cloud-Anbieter sind genau auf diese Bereiche spezialisiert. Durch verteilte Rechenzentren und genug Reserve an Performance können hier optimal auf den Kunden angepasste Lösungen genutzt werden. Bei dem Thema Sicherheit sieht es schon anders aus. Hierfür empfiehlt es sich zertifizierte Rechenzentren in Deutschland zu nutzen und auf eine vollständige Ende-zu-Ende-Verschlüsselung zu achten.
IEN D-A-CH: Wie könnte man diesen Bedenken wirkungsvoll entgegenwirken?
Zenner: In Deutschland gibt es ISO 27001-zertifizierte Rechenzentren, die den BSI-Grundschutz umgesetzt haben und darüber hinaus eine super Performance und Verfügbarkeit bieten. Sollten die Bedenken jedoch nicht ausgeräumt werden können oder die Performance mit der "Internetleitung" des Dienstleisters nicht dauerhaft gewährleistet werden können, kann man auch eine "Cloud" im Unternehmensnetzwerk des Kunden aufbauen.
IEN D-A-CH: Ist Ihrer Ansicht nach Cloud Computing eine Grundvoraussetzung dafür, um bei den Themen Industrie 4.0 und Internet der Dinge (IoT) voranzukommen?
Zenner: Ja, ohne die Cloud kann es weder das Internet der Dinge noch Industrie 4.0 geben. Die Cloud und das Internet werden im Übrigen dafür sorgen, dass Industrie 4.0 auf etablierten Standards wie zum Beispiel HTTP, REST APIs sowie HTML5-konformen Websockets und nicht auf irgendwelchen exotischen Automatisierungsstandards basieren wird.
IEN D-A-CH: Welotec hat auf der letzten SPS IPC Drives-Messe in Nürnberg eine neue, gemeinsam mit den Experten der Firma SSV Software Systems entwickelte IoT-Serviceplattform namens SARA Connect vorgestellt, die es Sensoren und Aktoren erlaubt, untereinander zu kommunizieren. Handelt es sich dabei um eine Cloud-basierte Lösung?
Zenner: SARA Connect kann und darf Cloud-basiert sein. Wir können aber auch SARA Connect auf einem Server in einer Automatisierungsumgebung installieren oder in einem Rechenzentrum nach Kundenwahl betreiben. Die meisten Unternehmen haben intern bereits einen Serverraum oder sogar ein Rechenzentrum. Auf diesen Servern kann SARA Connect betrieben werden.
IEN D-A-CH: Wie begegnet SARA Connect dem Thema Datensicherheit?
Zenner: Datensicherheit ist ein entscheidendes Thema. Deshalb basiert SARA Connect auf einem Security-by-Design-Ansatz. Natürlich sind alle Standardverbindungen verschlüsselt. Wenn wir zusätzliche Schnittstellen wie z.B. Modbus oder SMS einbeziehen, die keine Verschlüsselung und Sicherheit integriert haben, sind diese vom Rest der Anwendung gekapselt oder werden durch einen VPN-Tunnel nachträglich gesichert. Genauso wichtig wie die Verschlüsselung und Absicherung der Daten durch Firewall und Zugriffsbeschränkungen ist jedoch die Schulung der Mitarbeiter beim Kunden. Zu den Schulungsthemen zählen der Aufbau sicherer Passwörter, der Umgang mit Passwörtern, PKI-Zertifikate und das Aufsetzen entsprechender Prozesse.
IEN D-A-CH: Bitte erläutern Sie die weiteren Hauptmerkmale dieser Plattform.
Zenner: SARA Connect ist ein Datenbroker. D.h. Unternehmen können Ihre Anwendung auf Basis einer erprobten und sicheren Plattform aufbauen. SARA Connect bietet die Integration von Industrie 3.0 und IoT. Damit schafft SARA Connect die Industrie 4.0.
IEN D-A-CH: Wo sehen Sie schwerpunktmäßig die Einsatzgebiete dieser Technologie?
Zenner: In erster Linie in der durchgängigen Vernetzung der gesamten Fertigungslandschaft unter Einbeziehung aller Steuerungen, Sensoren und Aktoren. Darüber hinaus sorgt SARA Connect für die Weitergabe der Maschinen- und Prozessdaten an MES, ERP und andere IT-Anwendungen.
IEN D-A-CH: Was bietet Welotec darüber hinaus, um eine sichere Datenkommunikation im industriellen Umfeld zu gewährleisten?
Zenner: Neben der reinen Software gehört bei uns auch Beratung für die richtige Architektur mit dazu. Zudem bieten wir Schulungen und Einweisungen der Mitarbeiter mit an. Dies führt nicht nur zu einer sicheren Software in der Cloud oder im Rechenzentrum sondern auch zu einem sicheren Umgang mit dieser Software.
IEN D-A-CH: Um nochmals den Bogen zu der eingangs erwähnten Studie zu schlagen: Im Gegensatz zu den privaten Nutzern von Online- und Cloud-Diensten, die sich externen Spähangriffen nach anfänglichem Aufschrei resigniert zu ergeben scheinen, ist ein solches Verhalten gerade bei kleineren und mittelgroßen Unternehmen so nicht zu erwarten. Denn diese könnten mit dem Verlust ihres Know-How-Schutzes um die Grundlage ihrer Existenz gebracht werden. Denken Sie, dass diese Haltung kurz- oder zumindest mittelfristig geändert werden kann?
Zenner: Wir denken, dass ein Umbruch schon im Gange ist. Wir müssen nur Abstand von dem Gedanken an Google Cloud, Apple Cloud und Amazon Cloud nehmen. Dies sind alles US-Unternehmen, die im Zweifel von der Regierung angezapft werden können. Vor einigen Jahren haben wir mit Kunden über Cloud gesprochen und es wurde kategorisch abgelehnt. Mittlerweile vermeiden wir im Kundengespräch das Wort Cloud. Wir reden über sichere Hochleistungsrechenzentren oder über eine Installation im Rechenzentrum des Kunden.