In Deutschland ist die Automobilproduktion bis heute der größte und bedeutendste Industriezweig. Ihre Fertigungsanlagen bieten Hunderten von Menschen Arbeitsplätze und sind oft Spitzenreiter bei der Einführung fortschrittlicher Technologien, z. B. Automatisierungslösungen. Diverse Robotertypen übernehmen heute in der Regel viele Produktionsschritte und bearbeiten Bauteile mit höchster Präzision. Die Kehrseite der Medaille ist ein hoher Strombedarf. „In Zukunft wahrscheinlich mehr und mehr Gleichstrom“, sagt Alois Heimler, Strategic Marketing Manager Intralogistik & Automotive, von LAPP, da ist er sich sicher, nicht zuletzt wegen den Vorteilen für die Energieeffizienz: „Das Zauberwort heißt weniger Spannungswandlungen“, erklärt er.
In einer Karosseriebau-Anlage im BMW Group Werk Dingolfing offenbaren sich diese Vorteile schon heute. Denn die Anlage wird mit Gleichstrom betrieben – in einem Pilotprojekt, das zeigen soll, dass es im industriellen Umfeld eine Alternative zur herkömmlichen Wechselstrom-Welt gibt. LAPP liefert dafür die Verbindungslösungen.
Mehr Effizienz durch Rekuperation
Gerade beim Karosseriebau bietet sich die Umstellung von Wechsel- auf Gleichstrom an. Auf Maschinen und Roboter entfällt bisher ein großer Teil des Stromverbrauchs einer Industrieanlage, dabei bieten sie entsprechend große Einsparpotentiale. Die Fertigungslinien bewegen sich auf programmierten Bahnen, um die einzelnen Bauteile einer Karosserie zu einem Fahrzeug zusammenzufügen. Dabei beschleunigen sie kurzzeitig und bremsen dann wieder ab. Das bedeutet, ein Roboter entnimmt kurzzeitig viel Energie, um einen Bewegungsablauf zu initiieren oder in kinetische Energie zu wandeln. Im Abbremsmoment oder im Senkbetrieb, wird jedoch aus der kinetischen Energie wieder elektrische Energie erzeugt (Der Antrieb befindet sich nun im Generatorbetrieb). Diese kinetische Energie wird in Wechselstromsystemen (AC) in der Regel nicht gespeichert und geht als Wärmeenergie verloren; so wurden bisher Bremswiderstände eingesetzt um die überschüssige Energie zu „verbrennen“. Anders im Gleichstrom (DC)-Netz: „Hier wird die Energie in den DC-Zwischenkreis, andere DC-Verbraucher oder Energiespeicher gespeist. Somit kann die Energie, die bei Abbremsvorgängen frei wird, ohne große Wandlungsverluste zentral für alle Verbraucher an das Netz zurückgeschickt werden“, erklärt Alois Heimler die Bremsrekuperation. Sie erlaubt demnach den direkten Energieaustausch zwischen allen Antrieben, wie sie etwa in Robotern vorkommen.
Gerade in Zeiten, in denen Nachhaltigkeit zunehmend gefordert und gefördert wird, ist die Verwendung der bislang ungenutzten Bremsenergie nützlich, denn so kann eine erhebliche Menge Energie eingespart werden. Und das ist nicht der einzige Vorteil, den ein DC-Netz mit sich bringt: Anstatt vieler dezentraler Wandlungen von AC zu DC gibt es nur noch eine zentrale Energiewandlung, die alle Anlagen mit Gleichstrom versorgt. Bonuspunkt: Stammt der Strom aus regenerativen Quellen wie beispielsweise Photovoltaik oder Windkraft, liegt er als Gleichspannung vor, wenn auch die Verbraucher zunehmend auf Gleichstrom ausgelegt sind. „DC ist demnach ein Kernelement für die Energiewende“, so Alois Heimler. Die genauen Einsparungen bei einer Umstellung auf DC variieren je nach Anlage und ihrer Auslastung. Ergebnisse zwischen 15 und 20 % sind jedoch realistisch.
Portfolio für Gleichstrom-Anwendungen
Genau an diesem Nachhaltigkeitsgedanken hat LAPP bereits vor einigen Jahren angesetzt und als erster Hersteller ein Leitungsportfolio für verschiedene Anwendungen im Niederspannungsbereich entwickelt. Auch in der Karosserieproduktion in Dingolfing kommen die Leitungen zum Einsatz. Darunter die ÖLFLEX® DC 100. Mit ihrer maximalen Spannung von 0,75 / 1,5 kV ist sie die ideale Grundlage für energieeffiziente DC-Netze in industriellen Anlagen und macht sie zur ersten Wahl für Automobilhersteller. Ebenso verbaut ist die ÖLFLEX® DC Grid 100. Als DC-Starkstromkabel für Gleichstromnetze bietet sie in industriellen Anlagen einen flexiblen, feindrähtigen Aufbau, der selbst in trockenen, feuchten und nassen Umgebungen eingesetzt werden kann. Somit ist sie ideal für Steuerungsanlagen, Motoren und Frequenzumrichter. An der siebten Achse der Roboter in der Anlage kommt die ÖLFLEX® DC Robot zum Einsatz. In der Automobilfertigung sind die Anforderungen an Robotikanwendungen hoch. Das Kabel wurde speziell entwickelt, um diesen extremen Bedingungen standzuhalten. Seine außergewöhnliche Flexibilität ermöglicht es den Robotern, sich präzise zu bewegen, während es gleichzeitig widerstandsfähig gegenüber Rotationen und Biegungen bleibt. Seine kompakte Bauweise spart darüber hinaus wertvollen Platz. Unverzichtbar für die Fertigungslinie sind bewegliche Anwendungen und auch hierfür hat LAPP die passende Lösung. Die ÖLFLEX® DC Chain 800 kann in Schleppketten mit langen Verfahrwegen oder hohen Beschleunigungen eingesetzt werden. Ihre besonders kurze Aderverseilung erlaubt kleinste Biegeradien. Ihr Außenmantel aus speziell entworfenem thermoplastischem Polymer ist chemisch beständig und erhöht ölbeständig.
DC-Leitungen sind ressourcen- und platzsparender
Alle Leitungen vereint ein weiterer Vorteil gegenüber den bekannten AC-Leitungen: Während für Wechselspannung 5-adrige Leitungen benötigt werden, kommen bei Gleichspannung ein bis zwei Leiter weniger zum Einsatz. Die geringere Leiteranzahl sorgt dementsprechend für weniger Materialeinsatz, weniger Kupfer wird benötigt. Das macht sie darüber hinaus deutlich platzsparender und gerade für Anwendungen mit beengten Platzverhältnissen oder auch in Schaltschränken interessant. Das Material-Einsparpotenzial liegt hier bei etwa 40 %.
Die Karosseriebauanlage im BMW Group Werk Dingolfing ist ein Anwendungspilot, der die DC-Technologie derzeit in der Praxis testet. Sie wurde im Rahmen des Projekts DC-INDUSTRIE2 initiiert. Das deutsche Forschungsprojekt untersucht die Chancen und Herausforderungen der Gleichstromtechnik in industriellen Produktionsanlagen. Langfristig planen Forschende, ganze Fabrikhallen auf Gleichstrom umzustellen. Die Ergebnisse von DC-INDUSTRIE2 sind hierfür richtungsweisend, um energieeffiziente Lösungen und Standards zu kreieren. Auch LAPP ist Projektpartner. Die ÖLFLEX® DC 100, die im Rahmen des Projekts entstanden ist, ist heute als Serienprodukt auf dem Markt. Doch nicht nur das Forschungsprojekt verbindet die beiden Unternehmen, sondern auch eine langjährige Partnerschaft. DC-Leitungen mit besonderen Leitungsquerschnitten wurden von LAPP eigens und in kürzester Zeit für den Automobilhersteller als Prototyp angefertigt.
„Wir glauben daran, dass in Zukunft mehr und mehr Produktionsanlagen mit Gleichspannung versorgt werden“, sagt Alois Heimler. Das DC-Portfolio von LAPP ist ein wichtiger Schritt Richtung Energiewende, dementsprechend groß ist das Interesse daran. Längst hat das Familienunternehmen daher Gleichstrom zu einem wichtigen Teil seiner Zukunftsstrategie gemacht: Nicht nur die globale Forschung und Entwicklung, sondern auch die Steuerung von Labor- und Testzentrumsaktivitäten hat es neu aufgestellt, damit das Unternehmen noch schneller und agiler auf die Entwicklungen in der Industrie antworten kann.