Nitratverbindungen machen den größten Teil der mineralischen Düngemittel aus, mit denen die moderne Landwirtschaft heute gute Erträge erzielt. Zur richtigen Zeit und in der richtigen Menge ausgebracht, können sie von den Pflanzen annähernd vollständig aufgenommen und verarbeitet werden. Wenn aber zu viel Nitrat auf den Äckern landet, gibt es zwangsläufig Folgeprobleme. Überschüssiges Nitrat sickert früher oder später mit dem Regen ins Grundwasser und die Aufbereitungskosten für unser Trinkwasser steigen. Bei der herkömmlichen Düngerverteilung mit sogenannten Zweischeiben-Streuern lässt sich das praktisch nicht vermeiden. Hier fällt das Düngemittel aus einem Vorratsbehälter hinter dem Traktor auf zwei waagerecht rotierende Scheiben, die Körner bis zu 25 Meter nach links und rechts schleudern, während die Maschine über den Acker fährt. So lassen sich zwar große Flächen in kurzer Zeit düngen. Die Menge, die verteilt wird, ist jedoch pauschal auf die Gesamtfläche berechnet und das „Streubild“ ist unscharf. Bei unregelmäßigen Feldformen, in Kurven und an Wegrändern entstehen unweigerlich Flächen, die zu wenig oder zu viel Dünger abbekommen. Außerdem funktioniert das Schleudern nur mit Düngerkörnern von gleichmäßiger Größe und Qualität zuverlässig.
Punktgenau und kleinräumig Streuen statt Schleudern
„Diese Nachteile können wir mit unseren Exakt-Düngerstreuern der neuen Aero-Reihe umgehen“, erklärt Maximilian Zimmer. Er ist Teamleiter für Elektronik-Entwicklung bei der RAUCH Landmaschinenfabrik im badischen Sinzheim. „Das Granulat wird hier nicht weitflächig geschleudert, sondern gelangt durch ein Rohrsystem in der richtigen Menge und fein verteilt aufs Feld. Dabei kann die Maschine gezielt Stellen aussparen, an denen kein Dünger benötigt wird.
Die Grundlage für dieses Präzisionsdüngen ist das MultiRate-Dosiersystem für Pneumatik-Düngerstreuer zur kleinräumigen und punktgenauen Pflanzenernährung. Es erlaubt, dreißig Streusektionen einzeln zu- und abzuschalten. Zugleich kann die ausgebrachte Menge für jede Sektion getrennt geregelt werden. Damit lässt sich gleichzeitig der Düngerverbrauch pro Fläche um über 20 Prozent reduzieren und das bei deutlich höherem Ertrag. Das Düngergranulat gelangt durch dreißig einzelne Rohre zielgenau dosiert auf 1 bis 1,2 Meter breite Streifen auf dem Feld. Hinter der individuellen Zuführung steckt eine ausgeklügelte Technik: Das Düngemittel wird durch mehrere Trichter zu sechs Dosierwellen mit je fünf Segmenten geführt. Die Steuerung kommuniziert über CAN-Bus mit den Dosierwellen. Deren Nockenräder unterteilen dann das Granulat in kleine Portionen. Danach wird das Granulat per Gebläse mit einem Luftstrom beschleunigt und zum Auslass befördert.
Flachmotor mit applikationsspezifischem Getriebe
Treibende Kraft der einzelnen Nockenrad-Segmente sind bürstenlosen Flachmotoren der Reihe 4221…BXT von FAULHABER. Bei nur 42 mm Durchmesser liefern sie dank innovativer Wickeltechnik und optimierter Auslegung ein Drehmoment von 134 mNm. Sie wurden außerdem mit einem applikationsspezifischen Getriebe ausgestattet. Die gesamte Motor-Getriebekombination bleibt dabei mit 49 mm Höhe ungewöhnlich flach und benötigt wenig Einbauplatz. Die Antriebe sind in robusten Stahl- und Aluminiumgehäusen untergebracht und widerstehen den in der Landwirtschaft unvermeidlichen mechanischen Erschütterungen. Auch Wetterextreme machen ihnen nichts aus: Die zulässigen Umgebungstemperaturen liegen zwischen -10 und +60 C°.
„Die Drehzahl des Motors regelt die Menge des ausgebrachten Düngers“, erläutert Maximilian Zimmer. „So kann die Maschine zum Beispiel dafür sorgen, dass in einer Kurvenformation die Menge pro Fläche immer gleichbleibt, obwohl jeder Auslass einen anderen Radius abfährt. Wenn sich bei schrägen Feld-Geometrien Reihen überschneiden oder die Maschine einen Wegrand erreicht, können einzelne Auslässe automatisch ab- und später wieder zugeschaltet werden. Hier kommt es sehr auf die Dynamik des Motors an. Er muss praktisch ohne Zeitverzug die genau vorgegebene Drehzahl erreichen und ein hohes Drehmoment liefern.“
Immer die richtige Düngermenge
Das MultiRate-Dosiersystem ermöglicht „Precision Farming“ im wahrsten Sinne des Wortes. Die Fahrgassen, also die Spuren der Traktorräder, werden beim Düngen ebenso ausgespart wie kleine Biotope oder andere nicht genutzte Flächen, die sich inmitten von Feldern befinden können. Außerdem kann man die Düngermenge auch exakt an unterschiedliche Böden innerhalb eines Ackers anpassen. „Die Bodenqualität ist kleinteilig in digitalen Applikationskarten verzeichnet“, erklärt Maximilian Zimmer. „Anhand solcher Karten und GPS-Daten kann die Maschinensteuerung die Düngerabgabe vollautomatisch an den Gegebenheiten ausrichten.“ Die Qualität des Düngergranulats spielt eine wesentlich geringere Rolle als bei den Scheiben-Streuern: Die Maschine kann selbst bei einem hohen Anteil an Bruch und Staub fein dosieren und zielgenau ausbringen. Maximilian Zimmer fasst zusammen: „Diese Präzisionstechnologie schont nicht nur die Umwelt und insbesondere das Grundwasser, sondern senkt auch die Kosten. Der Landwirtschaftsbetrieb kommt bei höherem Ertrag mit über 20 % weniger Dünger aus. Und der kann bei den geringeren Ansprüchen an die Granulatqualität auch noch weniger kosten.“ Außer Dünger können die Aero-Düngerstreuer auch Zwischensaaten wie Raps oder Senf ausbringen. Diese binden Nährstoffe, schützen den Boden und tragen zu seiner Verbesserung bei. Im November 2021 wurde der Aero-Düngerstreuer mit dem Umwelttechnikpreis, Kategorie Mess-, Steuer- und Regeltechnik, Industrie 4.0, des Landes Baden-Württemberg ausgezeichnet.