Das Verhalten einer Windenergieanlage (WEA) muss unter realen Einsatzbedingungen eingeschätzt werden, um später eine hohe Anlagenverfügbarkeit und damit sichere Erträge sicherzustellen. Der Entwicklung von Steuerungs- und Regelalgorithmen kommt hierbei eine besondere Bedeutung zu, wobei bislang kein Weg an der klassischen Programmierung in Textsprachen wie IEC 61131-ST oder C/C++ vorbeiführte. Mit dem modellbasierten Design und dem Real-Time-Workshop für die M1-Steuerung von Bachmann electronic gibt es nun eine Alternative.
„Wie Studien belegen, verfügt die klassische Code-basierte Entwicklung über eine hohe Fehleranfälligkeit und ist damit eine zeitraubende, mithin kostspielige Angelegenheit. Erst zu einem sehr späten Zeitpunkt, nämlich im Zuge der Implementierung des Anlagendesigns, werden oft erst die tatsächlichen Auswirkungen und Einflüsse der einzelnen Entwicklungsstufen zueinander erkennbar. Um Fehler oder auch Missverständnisse zu eliminieren und auch das Gesamtsystem zu optimieren, sind zahlreiche Iterationsschleifen erforderlich, die den gesamten Workflow äußerst komplex und zeitaufwendig gestalten (Abb. 1)“, erklärt Dipl.-Ing. Michael Ebnicher, Manager R&D von Bachmann electronic.
Mit konkreten Anforderungen in die Entwicklung
Beim modellbasierten Design bewegen sich die Entwickler hingegen auf einer grafischen Ebene. Im Zuge des Designs von Windenergieanlagen geht man hinsichtlich der Systemvoraussetzungen mit konkreten Anforderungen in die Entwicklung. Alle an einem Projekt beteiligten Entwickler arbeiten hierbei auf einer Plattform, um das elektrische, mechanische oder hydraulische Verhalten einer WEA zu modellieren, wobei grafische Beschreibungssprachen die Modellierung von Systemteilen wie Regelstrecken und Regler ermöglichen (Abb. 2).
Intuitive Herangehensweise an WEA-Design
Die modellbasierte Entwicklung erlaubt eine intuitive Herangehensweise an ein spezifisches WEA-Design, wobei basierend auf dem Simulationsmodell innerhalb des Workflows entwickelt sowie überprüft wird. Der besondere Vorteil: weniger Fehler selbst bei sehr komplexen Designs und damit schnellere und weniger Iterationsschleifen. Ermöglicht wird dies durch das signalorientierte Modellierungs- und Simulationstool Simulink von MathWorks, das auf einer graphischen Modellierungsoberfläche mit verschiedensten Funktionsblöcken basiert. In Simulink werden die Anforderungen an das zukünftige Gesamtsystem über grafische Blöcke und deren Verschaltung definiert. Diese Blöcke besitzen neben einer definierten Funktion, Ein- und Ausgangsgrößen sowie innere Parameter. Aus jeder Gruppe von verschalteten Blöcken können per Mausklick neue Blöcke (Subsysteme) zusammengefasst werden.
Physikalische Modellierungstools erleichtern Darstellungen
Ergänzend hierzu stehen physikalische Modellierungstools wie SimScape, SimMechanics, SimPowerSystem, SimDriveline, SimHydraulics und SimElectronics zur Verfügung. So kann z.B. in SimMechanics ein 3D mechanisches Modell nicht signalorientiert dargestellt, sondern anhand von Komponenten wie Körpern und Gelenken. Mit diesen Tools lässt sich zunächst ein grobes Anlagendesign strukturell erstellen und parametrieren. Dieses Design wird im Hinblick auf das Systemverhalten (Mechanik, Elektrik, Regelungstechnik) stetig verfeinert und mit Umgebungsbedingungen wie Temperatur, Windstärke etc. ergänzt. Aus diese Weise tastet man sich schrittweise an die einzelnen Anforderungen heran, wobei das Modell immer komplexer wird.
Code-Generierung per Knopfdruck auf die M1-Steuerung
Ist die Modellierung sowohl des Prozesses (Regelstrecke) als auch der Regler- und Steuerungsalgorithmen sowie die Simulation des vollständigen Modells abgeschlossen, wird das Algorithmusmodell vom Regelstreckenmodell separiert und per Mausklick die automatische Code-Generierung und die Erstellung einer fertigen Applikation für das Echtzeitsystem durchgeführt (Abb. 3). Die C-Code-Generierung geschieht mit dem Real-Time-Workshop von MathWorks quasi per Knopfdruck und wird über M-Target for Simulink von Bachmann vollautomatisch auf die M1-Steuerung übertragen. Anschließend wird eine Online-Verbindung zur Steuerung aufgebaut, so dass Techniker und Entwickler das erzeugte Echtzeitprogramm direkt auf dem Zielsystem ablaufen lassen können.
Intelligentes Werkzeug für fertige Steuerungsapplikationen
Das Echtzeitprogramm kann sich über die während der Code-Generierung integrierten Kommunikationsschnittstellen direkt mit der Simulink-Oberfläche austauschen. Die tatsächlichen Prozesswerte stehen in diesem „External Mode“ unmittelbar in Simulink online bereit. Von dort aus lassen sich die internen Parameter der Simulink-Blöcke im Echtzeitprogramm verändern. Simulink fungiert hier als benutzerfreundliches Frontend, das ebenso ständig aktuelle Daten vom Echtzeitprogramm erhält.
Hierzu Michael Ebnicher: „Mit dem Real-Time-Workshop in Kombination mit M-Target erhält man auf diese Weise ein intelligentes Werkzeug an die Hand, mit dem sich automatisch C-Code und fertige Steuerungsapplikationen erzeugen lassen, die dann interaktiv auf der Bachmann Steuerung getestet werden können. Komplizierte Programmiertechniken muss man dabei nicht beherrschen.“ So werden Portierungsfehler vermieden, wie sie bei der manuellen Umsetzung in eine Programmiersprache entstehen können. Gleichzeitig reduziert sich der Zeitaufwand, da jetzt nur noch wenige Iterationen in sehr kurzen Intervallen durchgeführt werden müssen.
Eine weitere Besonderheit ist zudem die Funktion „Hardware-in-the-Loop“, mit der eine M1-Steuerung auch die Hardware einer WEA in einem geschlossenen Regelkreis simulieren kann.
Hardware-in-the-Loop: Simulation in Echtzeit
Hierzu erfolgt in Simulink eine Auftrennung des Gesamtmodells in eine M1-Steuerung (Regler), auf der sich die Regel- und Steuerungsalgorithmen befinden, und einer zweiten Steuerung (Prozess), auf der die Anlagensimulation überspielt wird. Durch die Verdrahtung beider Steuerungen ist eine Hardware-in-the-Loop (HIL) Simulation in Echtzeit realisierbar (Abb. 4). „Solche Simulationen sind vor allem für Softwaretests sinnvoll, denn im Zuge einer solchen Simulation lässt sich überprüfen, wie sich Veränderungen an der Software in der Anlagensteuerung auf das reale Anlagenverhalten auswirken, wobei Technikern oder Ingenieure verschiedenste Varianten für die Simulation zur Verfügung stehen“, so Michael Ebnicher.
Systemverhalten einer Anlage testen ohne Prototyp
Die Technik in WEA wird mit der Entwicklung immer leistungsfähigerer Anlagen zusehends komplexer und damit der Zeitaufwand für das Design für Steuerungs- und Regelalgorithmen eigentlich immer größer. Mit „M-Target for Simulink“ und dem M1-Automatisierungssystem ist es zukünftig jedoch möglich, bereits im Designprozess das Gesamtsystem einer WEA sehr wirklichkeitsnah zu modellieren und noch vor der Errichtung eines WEA-Prototypen genaue Vorhersagen zum Systemverhalten zu treffen. Das spart enorm viel Zeit und auch Kosten.
Schnelle Ergebnisse für Entwickler
Simulation einer Windenergieanlage direkt aus der Steuerung
- von Bachmann electronic GmbH
- Februar 4, 2011
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