IEN D-A-CH: Welche wichtigen Trends werden sich Ihrer Ansicht nach in den nächsten 5-10 Jahren bei der Produktion von Industrieausrüstungen entwickeln? Wie werden diese Trends Ihrer Erwartung nach die Strategie Ihres Unternehmens prägen?
Rick de Vries: Wir können einige wichtige Trends erkennen. Normalerweise gelten Flexibilität, Zuverlässigkeit, Produktgeschwindigkeit und Konnektivität als die üblichen Trends im Maschinenbau. Diese Bereiche werden von Maschinenbauern ständig untersucht. Wir haben auch festgestellt, dass ein Schwerpunkt auf der Notwendigkeit liegt, die Prozesse in den Branchen der Kreislaufwirtschaft auszubauen.
Der große Trend ist jedoch tatsächlich die Virtualisierung. Wir werden häufig gefragt, „Wie kann ich meine Automatisierungsprozesse verändern und virtuelle Plattformen integrieren?“ oder „Welche Vorteile bringt ein digitaler Zwilling für eine lokale Maschine, und wie erhalte ich eigentlich einen umfassenden digitalen Zwilling?“ Dies sind wichtige Fragen für Hersteller, weil PC-basierte Steuerungen zunehmend die klassischen SPS-gesteuerten Prozesse ersetzen.
Es muss jedoch auch ein Punkt berücksichtigt werden, der von aktuellen Trends übersehen wird: die Cyber-Resilienz-Verordnung (CRV), die 2027 bevorsteht. Viele Maschinenbauer erkennen nicht die Notwendigkeit und die Herausforderungen, die sie ihnen in Hinblick auf ihre Maschinen stellt. Als Reaktion darauf erweitert Advantech sein Partnerökosystem. Zusätzlich zu unserem bestehenden Ökosystem, das bereits umfangreich ist, bilden wir ein Ökosystem für Brownfield-Kunden. Wir haben mir zwei bedeutenden Technologiekonzernen im Sicherheitsbereich eine Komplettlösung entwickelt, sodass Kunden ihre Maschinen problemlos anschließen und sichern können, um die Anforderungen der CRV zu erfüllen. Außerdem ergänzen wir unsere Hardware-Designs und Kundenausführungen durch Technologien, die dazu beitragen, die Anforderungen zu erfüllen und zu belegen, dass sie erfüllt werden.
Das ist eine große Herausforderung. Aber Advantech geht sie an, weil wir eine Menge Energie in unsere Plattformlösungen stecken. Unsere Partnerschaften sind ein gutes Beispiel, wie etwa unsere Partnerschaft mit VMware. Sie sind ein Teil des Weges, Kunden bei der Reduzierung von Kosten, der Steigerung der Effizienz und der Implementierung von Diensten zu unterstützen, weil Sie auf dem heutigen Markt ein Netz verschiedener Experten benötigen. Das sind die wesentlichen Trends, in die wir eine Menge Arbeit stecken.
IEN D-A-CH: Als Nächstes eine Frage zur Sicherheit. Während der letzten paar Monate haben wir gesehen, dass viele deutsche Unternehmen weder mit den NIS2-Anforderungen noch mit den daraus erwachsenden Notwendigkeiten vertraut sind. Wie sehen Sie die Situation, und können Sie Ihren Kunden helfen?
Rick de Vries: Dieser Punkt ist uns auch aufgefallen. Unternehmen erkennen nicht so leicht, inwiefern sie betroffen sind. Es ist ein umfangreicher Prozess, und wir agieren entsprechend. Eine Seite der Medaille ist die Frage, wie wir unsere Prozesse in puncto Cyber-Resilienz handhaben. Die andere Seite ist die Weiterentwicklung unserer Hardware und die Firmware, die wir heutzutage in unseren Systemen nutzen. Es ist ebenso wichtig, alle Schwachstellen zu vermeiden, und das gilt auch für Komponenten, die wir einkaufen und die eine Firmware nutzen. Wir müssen uns immer fragen, wo die Schwachstellen sind.
Wir bauen innerhalb von Advantech ein System auf, damit wir unseren Kunden und Partnern problemlos Daten melden können. Die Software, die wir entwickeln, cyberresilient zu gestalten, ist ein Teil des Prozesses, so wie er es auch bei unseren Ökopartnern ist. Außerdem wird gerade ein neues Gesetz zur Nutzung von KI bearbeitet, also untersuchen wir auch dessen Rechtmäßigkeit. Es gibt immer zwei Seiten. Die eine Seite ist, wie wir die Nutzung von KI anwenden würden, aber wir müssen uns auch Fragen zur KI stellen. Wir stellen Fragen wie „Was sind die Auswirkungen?“ und „Was müssen wir tun, um sicherzustellen, dass wir die Hardware und Firmware, die KI nutzt, entsprechend härten?”
Wir unternehmen eine Menge, um uns auf den Markt vorzubereiten. Wir sprechen aber auch Empfehlungen aus und haben Partner, die tief in die Prozesse eindringen können, die wir bereits angesprochen haben. In Hinblick auf die Cyber-Resilienz-Verordnung arbeiten wir beispielsweise eng mit Securitas zusammen. Wir werden dieses Thema auch auf der SPS-Show in Nürnberg an der Seite eines Partners präsentieren. Wir sind bereit für die Diskussion, wir sind für unsere Kunden dort, und wir sind bereit, bei ihnen Rat zu der Frage einzuholen, wie die Resilienz von Maschinen gewährleistet werden kann.
IEN D-A-CH: Ein anderer wichtiger Trend, den Sie bis jetzt noch nicht erwähnt haben und der von großer Bedeutung ist, betrifft die Frage, wie eine nachhaltige Fertigung erreicht werden kann. Wie wird Ihre Sicht von Regelungen wie dem Green Deal der EU beeinflusst, und wie profitieren Ihre Kunden von Ihren Bemühungen?
Rick de Vries: Da wir keine kompletten Maschinen bauen, sind wir uns immer bewusst, dass wir nur ein Teil des Puzzles sind. Nachhaltigkeit, CO2-Bilanzen und der gesamte ESG-Weg sind mit vielen verschiedenen Prozessen für alle Unternehmen verbunden, auch für uns. Wir haben einen umfassenden Emissionsprozess eingeführt und CO2-Initiativen in unsere Designs einbezogen. Bei SPS demonstrieren wir eine Reduzierung von 45 % in unserer CO2-Bilanz, was unseren Anspruch widerspiegelt, die Klimabelastung bei unseren Komponenten und Prozessen zu minimieren. Das muss aber auch zu dem Weg passen, den unsere Kunden beschreiten. Das Lebenszyklusmanagement beispielsweise ist ein wichtiger Bestandteil von Nachhaltigkeit. Je länger Sie Ihr Produkt effizient und sicher nutzen könne, desto besser ist es, aber Sie brauchen auch Partner, die an Refurbishments oder Upgrades arbeiten können. Diesen Philosophievorteil genießen wir mit unserem modularen Konzept schon seit vielen Jahren.
Was bedeutet das für unsere Kunden? Nehmen wir an, dass ich eine CPU besitze, aber eine größere haben möchte. Wir könnten sie natürlich upgraden. Aber wenn ich mehr Arbeitsspeicher oder ein anderes Laufwerk haben wollte, müsste ich von meinem WiFi 3 auf WiFi 6 übergehen. Statt aber alles durch ein neues Produkt ersetzen zu müssen, könnten wir einen neuen Platinensatz einstecken. Das ist die Art von erweiterter Funktionalität, die uns vorschwebt, und viele Kunden möchten so etwas auf ihren Maschinen.
Wie können wir ihnen also helfen, Virtualisierung zu akzeptieren und Rechenleistung hinzuzufügen, um Prozesse zu entlasten, ohne alles aus ihren Maschinen zu entfernen und ganze Systeme zu ersetzen? Ein wichtiger Teil all dessen ist, dass Advantech alles unter Einsatz von Standards entwickelt. Bei IPCs etwa nutzen wir IEEE-Standards. Wir haben das zum Beispiel auch in der Halbleiterbranche eindrucksvoll demonstriert.
Aber welche Bedeutung hat dieses Entwicklungskonzept für den Kunden, könnten Sie fragen. Nun, ein hypothetischer Kunde könnte ein Gehäuse kaufen und es zu seiner Maschine hinzufügen. Vielleicht ist darin eine altmodische Hauptplatine, aber sie könnten sie einfach ausbauen und durch eine neue Hauptplatine ersetzen. Sie müssten nicht das Gehäuse ersetzen, und alles andere würde immer noch passen. Das einzige Bauteil, das unser Kunde ersetzen müsste, wäre die Hauptplatine, was Abfall vermeidet, und er könnte immer noch die CPU erneuern. Dieses hypothetische Szenario zeigt, was es mit unserer Philosophie auf sich hat, wenn es um Kreislaufwirtschaft und Nachhaltigkeit geht.
IEN D-A-CH: Aber wenn die Produkte länger leben, bedeutet das nicht auch, dass die Software auch für längere Zeit ständig aktualisiert werden muss?
Rick de Vries: Ja, das ist richtig. Die Software, das Betriebssystem, die Firmware, aber nicht nur das. Bei unserer Wahl von Partnern für Komponenten wie CPUs und GPUs berücksichtigen wir diesen Punkt, damit wir die richtigen Komponenten auswählen können, die Nachhaltigkeit unterstützen. Aber es kommen immer wieder neue Themen zur Sprache, und Sie müssen sich fragen, „Wie kann ich meine Hardware entsprechend härten?“ Vielleicht berichten uns unsere Kunden Dinge wie „Sie können die alte Hardware nicht mehr härten. Und Sie können nicht in die Hardware eingreifen, um Änderungen vorzunehmen.“ Wir können allerdings ein Plugin erstellen, damit ein Teil der Hardware wieder gehärtet und jetzt von einer Plugin-Lösung gesteuert wird. Und es funktioniert!
IEN D-A-CH: Welche Rolle spielen digitale Transformation und Industrie 4.0 bei der Produktion von Industrieausrüstungen? Wie stellt sich Advantech auf diese Transformation ein?
Rick de Vries: Das ist auch eine der größten Herausforderungen, die wir innerhalb unseres Kundenspektrums sehen. Eine Menge Wissen geht verloren und die Herausforderungen der Arbeit nehmen zu. Wir erleben häufiger, dass wir als Berater fungieren, statt gebeten zu werden, einfach Produkte herzustellen und zu liefern. Aber das können wir nicht allein erledigen. Wir haben in der Vergangenheit gesehen, dass es in einem Prozess so viele Unterelemente gibt, was dem entspricht, was Sie bei künstlicher Intelligenz gesagt haben. Wir brauchen das Ökosystem, das ich schon erwähnt habe, und wir bilden eines, das den gesamten Support, die Prozesse und das Wissen zusammenführt, damit wir unsere Maschinenbauer auf ihrem Weg unterstützen können. Denn auch sie haben erkannt, dass sie es nicht einfach selbst erledigen können.
Advantech übernimmt die Führung, indem es ein Partnerschaftsprogramm etabliert. Es hilft unseren Kunden, zu verstehen, dass wir ein Zulieferer sind, und unsere Partner helfen uns, Lösungen zu finden. In diesem Sinne schaffen wir Kompetenz. Wir schulen unsere Kunden dahingehend, dass sie wissen, wie diese Art von Technologie eingesetzt wird.
Natürlich pflegen wir eine starke Partnerschaft mit Innovationspartnern in Bereich der Chipsatz-Technologie. Sie bringen auch eine Menge Wissen in unser Unternehmen ein, das zu unserem Lernprozess beiträgt. Es hilft uns, zu verstehen, was wir mit Technologie erreichen können und wie wir Prozesse optimieren und neue Innovationen und Lösungen auf der Plattform entwickeln können, nach denen Kunden suchen. Wir erleben, dass wir gebeten werden, für unsere Kunden, speziell für Maschinenbauer, Workshops zur Hardware-Philosophie zu organisieren. Sie möchten den ESG-Weg verstehen und Ideen entwickeln, um Kosten zu senken und neue Maschinentopologien zu entwerfen. Wie Sie erkennen können, finden wir uns langsam in einer beratenden Funktion für den gesamten Prozess wieder, auch wenn wir einmal einfach ein Hardware-Vertrieb waren.
Das bedeutet, dass wir uns in einer Phase des Übergangs befinden. Wir müssen in der Lage sein, unseren Kunden das richtige Wissen bieten zu können, das auf ihre jeweilige Situation, ihre Herausforderungen und ihre Probleme anwendbar ist. Uns ist auch aufgefallen, dass beratendes Verkaufen die Beziehungen verändert. Statt einfach eine normale Beziehung zwischen Zulieferer und Kunde zu pflegen, erleben wir viel stärkere Vertrauensverhältnisse.
IEN D-A-CH: Wie viele Partner haben Sie jetzt nach der Bildung dieses Netzwerks, um die unterschiedlichen Probleme anzugehen?
Rick de Vries: Wir pflegen mehr als 250 Partnerschaften, und dabei spreche ich nur von unserem europäischen Ökosystem der Sparte für Industrie-IoT – nicht von unserer breiter angelegten Advantech Europe-Gruppe! Wir können das Ökosystem für unsere größten Vorhaben in Schlüsselpartnerschaften aufteilen, wie Intel, Microsoft, CODESYS und andere software- und hardwarebezogene Technologiepartner. Aber wir verfügen auch über die ISVs (unabhängige Softwareanbieter) sowie die Systemintegratoren. Wir brauchen diese Partner, weil wir gemeinsam lernen, was wiederum bewirkt, dass das Produkt besser an den Markt angepasst ist. Sie helfen uns, die aktuellen Herausforderungen des Marktes zu ermitteln, und treiben uns an, die entsprechenden Lösungen zu finden. Und das beginnt wirklich gut zu funktionieren.
Es gibt aber auch eine Kehrseite. Statt uns einzig und allein auf unsere eigene Vertriebsorganisation zu verlassen, haben wir ein Netz von Ökosystempartnern, die als unsere Botschafter fungieren und den Absatz steigern. Wir haben natürlich unseren herkömmlichen Vertriebsweg, aber wir arbeiten immer häufiger mit den Ökosystempartnern, den Systemintegratorpartnern und den Beratungspartnern zusammen, wie zum Beispiel OBS Orange Business Services. Advantech steuert in diese Richtung, in der sich früher nur große Player wie Siemens befanden.
Als Unternehmen wachsen wir in völlig neuer Weise. Das liegt daran, dass wir jetzt die richtigen Partner haben, die diese Welt mit uns betreten, eine Welt, die sie kennen. Wir haben die Technologie, aber sie verfügen über das Wissen, sie in der richtigen Weise anzubieten. Das ist der Weg, auf dem wir uns befinden. Indem Sie sich auf unsere Vertikalmärkte und unsere Sparte konzentrieren, lernen Sie besser, und mit einem Ökosystem können Sie einen viel besseren Ansatz für Vertrieb und Lösungen erreichen.
Es ist eine langsame Trendwende. Aber Sie erkennen auch, dass sich Partner, Kunden und Maschinenbauer in diese Richtung bewegen. Es kann schwierig für sie sein, weil sie in der Vergangenheit alles selbst erledigt haben, und jetzt müssen sie die Kontrolle aufgeben und lernen, inwiefern sie sich darauf verlassen können, dass der Anbieter und Hardware-Hersteller eine IoT-Lösung liefert, die sie auf die nächste Innovationsebene für ihre Maschinen führt. Es ist eine Lernkurve für alle Beteiligten.
IEN D-A-CH: Vielen Dank für Ihre Einblicke!