Seit rund fünf Jahren steht die Funktionale Sicherheit bei Kübler ganz oben auf der Agenda. Zur diesjährigen SPS IPC Drives in Nürnberg stellt das südwestdeutsche Unternehmen zahlreiche neue Lösungen für diesem Bereich vor. TR unterhielt sich mit Jonas Urlaub, Produktmanager für Funktionale Sicherheit bei Kübler, über das Thema im Allgemeinen und die neuen Produkte im Besonderen.
TR: Herr Urlaub, das Thema Funktionale Sicherheit steht hierzulande eigentlich erst so richtig seit 2011 auf der Tagesordnung, nachdem die EN 61508 auch in deutscher Fassung vorgelegt wurde. Bereits zwei Jahre zuvor hatte Kübler begonnen, sich mit diesem Bereich zu beschäftigen. Wie kam es zu dieser im Nachhinein weitsichtigen Strategie?
Urlaub: Sicherheit ist schon viel länger ein Thema. Der Trend war absehbar und Kübler hat sich auf die hohen Anforderungen der Funktionalen Sicherheit mit Produkten und Lösungen vorbereitet. Die meisten Kunden von Kübler bewegen sich im Maschinen- und Anlagenbau. Diese haben sich immer an der EN954 orientiert. Als 2006 die Urform der ISO 13849 veröffentlicht wurde Stand der Entschluss fest. Ende 2008 kam dann die deutsche Version und die Kunden haben seitdem her andere Anforderungen bzw. müssen sich nach Richtlinien halten. Als führender Spezialist für Positions- und Bewegungssensorik war es für Kübler nur noch eine logische Folge, zertifizierte Drehgeber in das schon breite Portfolio aufzunehmen. 2009 wurden die ersten Sendix SIL Drehgeber mit SIL3/PLe Zertifizierung dem Markt vorgestellt. Damals war Kübler der erste Drehgeber Hersteller mit zertifizierten Drehgebern. Um 2009 zertifizierte Drehgeber anzubieten, war eine lange Vorbereitungs- und Entwicklungsphase notwendig.
TR: Haben Sie aufgrund der Erfahrung auf diesem Gebiet einen Vorsprung gegenüber Ihren Marktbegleitern, der Ihnen heute zugute kommt?
Urlaub: Ein klares Ja. Wir sehen uns in diesem Bereich als führender Spezialist für sichere Positionierung und Bewegung. Im Vergleich zu unseren Marktbegleitern arbeiten wir schon an einer zweiten und teilweise an einer dritten Generation. Unsere Marktbegleiter stehen teilweise noch ganz am Anfang. Neue Generationen bedeuten auch immer Erfahrungen und Verbesserungen einfließen zu lassen, um am Ende die optimale und zeitgerechte Lösung anbieten zu können.
TR: Kübler unterteilt sein Geschäft in acht Kernbranchen. Für welche dieser Branchen ist das Thema Funktionale Sicherheit besonders relevant?
Urlaub: Die Funktionale Sicherheitstechnik ist nicht nur ein Thema für eine bestimmte Branche, sondern jede Branche hat seine Anforderungen an Sicherheitstechnik und diese ist es zu entsprechen. Kübler sieht daher die Sicherheitstechnik als eine Cross-Function. Beispielhaft wie bei Feldbus oder Industrial Ethernet müssen die Technologien für jeden bzw. für jede Branche bereitgestellt werden. Natürlich in unterschiedlichen Ausprägungen und Sicherheitsklassen.
Der Einsatz von zertifizierten Sendix SIL Drehgebern ist vor allem in der Antriebstechnik. Die Windbranche hingegen ist stets an einer Komplettlösung interessiert. Diese Komplettlösung besteht bei Kübler aus zertifizierten Sendix SIL Drehgeber, Safety-M Sicherheitsmodulen und bei Bedarf abgestufte Dienstleistungspakte. Kübler steht für das Motto: "Alles aus einer Hand".
In der mobilen Automation und Verpackungsbranche ist in erste Linie nicht das Produkt, sondern die anzubietende Dienstleistung das wichtige Kriterium. Kübler bietet 4 Dienstleistungspakte an wie z.B. die Nachrüstung von Sicherheitstechnik.
TR: Handelt es sich bei den bisher realisierten Projekten vornehmlich um Neu-installationen, oder sind auch Nachrüstungen darunter?
Urlaub: Bei den realisierten Projekten sind Neuinstallationen bis hin zu Nachrüstungen darunter. Kübler bedient und unterstützt den Kunden bei jeder Anforderung von Sicherheitstechnik. Z. B. erhalten vielen Anlagen eine neue Steuerungstechnik und müssen deswegen sicherheitstechnisch neu bewertet werden. Andere Unternehmen planen neue Maschinengenerationen und Serienmaschinen, bei denen es ausschließlich um Neuinstallationen handelt.
TR: Wie kundenspezifisch müssen diese Lösungen für den jeweiligen Anwender in der Regel sein? Oder reichen normalerweise die Angebote "von der Stange" aus?
Urlaub: Lösungen in der Sicherheitstechnik sind immer kundenspezifisch. Natürlich kann man innerhalb eines Konzeptes auch auf Standard-Komponenten zurückgreifen. Allerdings ist die Zusammensetzung beim Kunden immer individuell. Somit gibt es eine Art Richtschnur wie wir z.B. uns eine optimale Lösung in den Kernbranchen vorstellen. Diese wird aber immer auf den Kunden zugeschnitten und mit dem Kunden angepasst und auf seine Bedürfnisse und Gegebenheiten optimiert.
TR: Das Kübler-Portfolio im Bereich Funktionale Sicherheit unterteilte sich bisher in sichere Drehgeber, sichere Steuerungen sowie Dienstleistungen. Auf der bevorstehenden SPS IPC Drives werden Sie unter anderem eine neue Steuerungsfamilie vorstellen, die in Kooperation mit der Firma Bihl+Wiedemann entstanden ist. Wie kam es zu dieser Zusammenarbeit, und worin liegen Ihrer Ansicht nach deren Stärken?
Urlaub: Die Zusammenarbeit besteht bereits seit Anfang 2013. Diese Kooperation vereint die Stärken der jeweiligen Unternehmen und bringt dadurch einen gewissen Fortschritt. Bihl+Wiedemann bekannt als weltweit führender Spezialist für Sicherheitstechnik und Kübler als Experte für sichere Positionierung und Bewegung. Beide können in dieser Kooperation Erfahrungen und Wissen in neue Lösungen einbringen, so dass Kunden eine optimale und einfache Kommunikationstechnik erhalten können. Als Beispiel für diese Zusammenarbeit wurde mit dem Know-how von sicherer Antriebstechnik und Geberschnittstelle, ein Sicherheitsmodul bzw. Erweiterungsmodule für sichere Achsüberwachung entwickelt. Dies ist eines der neuen Baureihe Safety-M modular.
TR: Welche Vorteile haben die neuen Steuerungen gegenüber den Lösungen, die Kübler bisher angeboten hat?
Urlaub: Wir sind jetzt in der Lage, neue Schnittstellen wie Ethernet/IP und Profisafe auf Basis Profibus und Profinet anzubieten. Dies ist vor allem für den nordamerikanischen Markt von Vorteil. Die neue Familie ist wesentlich granularer und feiner skalierbar. Die Modularität beschränkt sich nicht mehr nur aus Ein- und Ausgängen, sondern auch auf die Achsen selbst und auf dezentral installierbare Module mit hoher Schutzart. Ein wesentlicher Unterschied ist die UL Zertifizierung.
TR: Ebenfalls neu im Produktportfolio Funktionale Sicherheit ist der Drehzahlwächter Safety-M compact. Für welche Anwendungen wurde dieses Produkt entwickelt?
Urlaub: Das Produkt rundet das Portfolio nach unten hin ab. Es ist spezialisiert auf eine sichere Achse. Hier können wir im Gerät Signalsplitter als auch Wandler hin zu inkrementalen AB-Ausgängen oder Analogen Signalen anbieten, die es insbesondere bei bestehenden oder älteren Maschinen und Anlagen einfach macht. Das optionale OLED Bedien- und Diagnosedisplay ermöglicht eine gute lokale Diagnose als auch eine softwarefreie Parametrierung des Gerätes. Der Anspruch war hochwertig, aber einfach und kostengünstig. Das ist uns hier mit dem Safety-M compact Drehzahlwächter in Perfektion gelungen.
TR: Als "Weltneuheit" bezeichnen Sie die sicherheitsgerichtete Balgkupplung, die Sie ebenfalls in Nürnberg erstmals präsentieren werden. Was hat es damit auf sich?
Urlaub: Es handelt sich hierbei um eine Metallbalgkupplung für die Anbindung von Drehgebern an die Applikation oder Motor. Sie ist dahingehend eine Weltneuheit, da sie unter dem Fokus der funktionalen Sicherheitstechnik entwickelt wurde. Das übliche überdimensionieren von mechanischen Komponenten ist bei Kupplungen nicht möglich, da sie ansonsten die ausgleichenden Eigenschaften für Winkel- oder Parallelfehler nicht mehr aufweisen würden. Daher haben wir hier einen neuen Weg beschritten. Die neue Kupplung ist eine Kombination aus einer Standard-Metallbalgkupplung und Klauenkupplung. Besteht der Verdacht, dass der Balg bricht werden zwei innenliegende Klauen die Verbindung von Geber und Antriebswelle weiter halten. Der Drehgeber wird hart mitgeführt und die Anlage kann weiter betrieben werden. Somit ist eine Anlagenverfügbarkeit gewährleistet.
TR: Welche Themen müssen auf kurze und mittelfristige Sicht bei der Funktionalen Sicherheit angegangen werden, und in welche Richtung gehen diesbezüglich die Entwicklungen bei Kübler? Werden etwa die Steuerungen mit weiteren Kommunikationsschnittstellen ausgestattet, um sie, geografisch betrachtet, für einen noch breiteren Anwenderkreis interessant zu machen?
Urlaub: Mit unseren aktuellem Sicherheitstechnik-Portfolio aus Sendix SIL Drehgebern und Safety-M Sicherheitsmodulen sowie Dienstleistungspakete, sehen wir uns aus kurz- und mittelfristiger Sicht als gut gerüstet an. Parallel dazu entwickeln wir unsere Lösungen weiter, so dass Kommunikationsschnittstelle eine große Rolle spielen werden, um einen breiteren Anwenderkreis bedienen zu können. Marktbetrachtet sehen wir das Thema Sicherheitstechnik nicht nur im europäischen Raum, sondern sowohl Amerika als auch Asien haben ihre Sinne hierfür geschärft.