IEN D-A-CH: Herr Harting, Sie haben 2005 bis 2008 in Hongkong das Asien-Geschäft entwickelt. Ist oder wird China Ihr wichtigster Markt?
Philip Harting: Zweifelsohne ist und bleibt China ein enorm bedeutender Markt für Harting. Wir generieren mittlerweile ein Viertel unseres Umsatzes in China. In den Zeiten, in denen Chinas Volkswirtschaft Jahr für Jahr deutlich zweistellig wuchs, waren Umsatzsteigerungen leichter zu erzielen. Diese Rahmenbedingungen haben sich geändert. Heute müssen wir wesentlich härter für neue Projekte arbeiten. Das heißt, dass wir an unsere Kunden rücken und vor allem mit technologisch höherwertigen Produkten wachsen wollen. Hier sehen wir für Harting nach wie vor Wachstumspotenziale. Das gilt nicht nur für China, sondern auch für die anderen asiatischen Länder. Die Region Asien haben wir weiterhin sehr genau im Fokus.
IEN D-A-CH: Was sind die Besonderheiten der asiatischen Märkte?
Harting: Die japanischen Kunden sind beispielsweise sehr innovationsorientiert, verlangen stets 100-prozentige Top-Qualität und einen echten Kunden-Mehrwert. Sie sind - gemessen an ihren Ansprüchen und ihren Qualitätsstandards - mit deutschen Kunden vergleichbar. Eine Belieferung japanischer Kunden bedarf einer längeren Vorlaufzeit. Ganz anders ist es bei chinesischen Kunden. Hier muss es oftmals bei manchen Projekten sehr rasch gehen, die Lieferung muss schnell erfolgen und die Vorlaufzeit ist wesentlich kürzer. An diesen beiden Beispielen wird gut deutlich, wie unterschiedlich die Anforderungen für Harting in den einzelnen Ländern sind.
IEN D-A-CH: Ihre Han Steckverbinder werden in Deutschland, Rumänien und China produziert. Wird der kostengünstigste Standort künftig den gesamten Weltmarkt beliefern?
Harting: Nein, nicht ein einzelner Harting Standort wird den gesamten Weltmarkt beliefern. Wir haben klar in unserer Strategie festgelegt, dass wir dort produzieren, wo unsere Kunden sind. Das ist die Basis für den langfristigen Erfolg von Harting. Gerade erst eröffnen wir ein neues Werk im mexikanischen Silao. Der Standort im rumänischen Sibiu wurde vor kurzem deutlich erweitert. Die Vorteile für den Kunden liegen auf der Hand: Kurze Lieferwege und hohe Verfügbarkeit - und damit eine hohe Liefersicherheit! Wir sind der einzige Rechtecksteckverbinder-Hersteller der Welt, der identische Produkte an verschiedenen Produktionsstätten in der Welt fertigt. Darauf sind wir zu Recht stolz.
IEN D-A-CH: Mit Industrie 4.0 gewinnt der Schutz vor Cyberangriffen und Datendiebstahl enorm an Bedeutung. Wo sehen Sie die Herausforderung für die Branche? Was steuert Harting dazu bei?
Harting: Durch die zunehmende Vernetzung von Maschinen steigt die Anzahl möglicher Angriffsziele. Dies betrifft auch das produzierende Gewerbe. Daher muss man sich auch auf dem Shopfloor mit IT-Security beschäftigen. Harting nutzt die eigene Produktion, um zu lernen und neue Produkte und Services zu erproben, zum Beispiel im Bereich Predictive Maintenance. Hier müssen Maschinen vernetzt werden, um aus den Sensordaten Prognosen zu erstellen. Harting setzt dabei zum Beispiel seine neue Integrated Industry Computing Plattform MICA ein. Sie dient als smarte Verbindung zwischen Shopfloor und IT mit verbesserter Connectivity und der Möglichkeit, Daten direkt an der Maschine zu verarbeiten. Die MICA nutzt aktuelle IT-Technologien, um Kommunikation zu verschlüsseln, Geräte zu authentifizieren und so genannte Linux Container, um einzelne Applikationen zu isolieren und zu schützen. Jede Anwendung läuft in ihrer eigenen Sandbox.
IEN D-A-CH: Beim Namen Harting denkt man an elektronische Steckverbindungen. Wie passt da Ihr schlagfester Linux-Micro-PC Harting IIC MICA ins Portfolio (IIC MICA steht für Integrated Industry Computer Modular Industry Computing Architecture)?
Harting: Wir stehen für smarte, robuste und langlebige Lösungen rund um das Thema Connectivity. Die MICA ist der nächsten konsequenten Schritt, um robuste und smarte Lösungen für die Industrie 4.0 zu schaffen. Das Thema Connectivity ist für Industrie 4.0 von zentraler Bedeutung und die MICA verbindet bestehende Maschinen und Anlagen entweder untereinander (horizontale Integration) oder mit IT-Systemen (vertikale Integration). Somit kann Harting nun weitere Lösungen vom Steckverbinder, über Verkabelungslösungen, Ethernet-Switches bis hin zur MICA anbieten.
IEN D-A-CH: Liegt die Besonderheit der IIC MICA mehr in der Hardware oder der Software?
Harting: Die Besonderheit liegt in der Offenheit, sowohl für die Hard- als auch für die Software. Die MICA ist eine offene Plattform bestehend aus verschiedensten, bestens aufeinander abgestimmten Hard- und Software-Modulen. Es entsteht ein System, zum einen mit verschiedensten Hardware-Schnittstellen, von USB, über RFID bis hin zu Ethercat oder Profinet. Zudem gibt es Software-Apps in Form so genannter Linux-Container. Hiermit bringen wir die Idee der "Virtualisierung" und "Containerisierung" aus den Rechenzentren bis hinunter an die Maschine. Durch die "ready-to-go" Container, können neue Lösungen in bislang unvorstellbar kurzer Zeit realisiert werden. Unterschiedlichste Container, von einfachen Datenbanken, einfachen Webservern, OPC-UA, MQTT, Visualisierung bis hin zu hadoop und "R" bilden auch hier ein offenes System, in dem sich Kunden, Partner und einzelne Entwickler die benötigten Bausteine einfach herunterladen können.
IEN D-A-CH: Ihre Steckverbindungen sind bislang auf mindestens 500 Steckzyklen ausgelegt. Nun sollen es 10.000 sein. Wer braucht das?
Harting: Die Kunden verlangen solche Lösungen. Tägliches vielfaches Stecken und Ziehen von Steckverbindern ist bei Werkzeugwechseln im modularen Maschinenbau gefragt ebenso in der Messtechnik für ortsveränderliche Apparaturen und Geräte. Dies ist eine Grundvoraussetzung für individualisierte Fertigungsverfahren und folgt damit einem Trend der Integrated Industry. Dem wird Harting z.B. mit den Han® C HMC Kontakten gerecht, die eine Leistungsübertragung bis 40 A in den Standard-Einsätzen der Reihe Han-Modular® erlauben.
IEN D-A-CH: Wir sind auf Ihren Stand auf der Hannover Messe gespannt. Auf was dürfen sich Presse und Fachbesucher einstellen?
Harting: Nun, der "Etos" auf unserem Messe-Stand wird sicherlich ein Eye-Catcher sein. Dieser Rinspeed-Concept Car wird mit der Harting IIC MICA ausgestattet sein - zur unabhängigen Emissions- und Zustandsüberwachung. Auch unsere Smart Factory, die HAII4YOU Factory, haben wird im Forschungsprojekt FlexMiR weiterentwickelt. Das vom BMBF im Rahmen des Spitzenclusters it's OWL geförderte Projekt beschäftigt sich unter anderem mit der interaktiven Programmierung von Robotern. Um dies optimal unterstützen zu können, werden hierfür Kuka Leichtbauroboter iiwa in die Zellen integriert und in die Steuerungslogik der hoch flexiblen Fertigungsanlage eingebunden. Die Roboter wurden freundlicherweise von Kuka als Leihgabe dem Projekt bereitgestellt.
IEN D-A-CH: Herr Harting, vielen Dank für das Gespräch.